Grundregelwerke so dick, dass man mit ihnen einen Axthieb parieren kann, regalmeterweise Hintergrundbände, massenweise Regelerweiterung – warum neigt das Genre der Rollenspiele zu Enthropie und Explosion? Ist die unglaubliche Fülle dem Hobby überhaupt dienlich? Kann man minimalistische Rollenspiele im Gegensatz dazu überhaupt ernst nehmen?
Cast: Martin, Tanja, Carsten, Holger Länge: 00:46:34
Inhalt:
01:07 Wieviele Billys Rollenspiel besitzt der passionierte Rollenspieler?
11:36 Pen und Paper-Schmalhänse und Rollenspiel-Moppel: Gewichtsvergleich!
21:34 Wenn minimalistische Rollenspiele sinnvoll sind, warum dann überhaupt Text?
30:14 Textmasse als kulturelles Kampfgewicht und als Spielstil-Katalysator
33:52 die schmutzige Praxis: umfangreiche Rollenspielsysteme bewältigen
38:20 Hier sind vier Bücher für dich, lies doch mal bitte bis Freitag.
Geschenkaktion: Loote den Eskapodcast! (detaillierte Teilnahmeregeln)
Geschenke: Wearing the Cape (Fate, Uhrwerk Verlag)
Mäzenatin: Tanja (Emporion of Games)
Beantworte in den Kommentaren bis zum 23.12.2018, 24 Uhr, die folgende Frage: „Wie viele Regalmeter Rollenspiel besitzt du? Welche Schwerpunkte hat deine Sammlung? Wie stehst du zu ausufernden oder zu schmalen Rollenspielen?“.
Links:
Gesamtpublikationsvolumen von DSA
DrivethruRPG
Das Rad der Zeit
Gehenna
DSA Retro Produkte
Shadowrun Anarchy
Shadowcore (Fate)
Kagematsu (System Matters)
Geh nicht in den Winterwald (System Matters)
Savage Worlds Science Fiction Compendium
Ich habe ganz nerdmäßig mit dem Zollstock das Regal gemessen. Ich habe 340 cm Rollenspielmaterial, nachdem ich aussortiert für den Flohmarkt.
Ich habe mich irgendwann von den Systemen und Büchern getrennt, die ich nicht, nicht mehr oder nie spiele.
Da ich ja eigentlich nur GURPS spiele, habe ich das fast vollständig, aber die Exoten habe ich auch nicht gelesen (Atlantis, Myth, WWII, usw).
Neben GURPS hat CoC und dort DELTA GREEN, Judge Dreed einen großen Anteil an der Sammlung. Meist dienen andere System als Quellenvorlage für eine Kampagnie in GURPS.
Apropos GURPS 4 vermarktet viel über den Online-Shop und hat sich irgendwann aus den Läden herausgezogen, um den Zwischenhandel auszuschalten. Damit sind sie ein bisschen auf den Bauch gefallen. So kann natürlich der Eindruck entstehen, dass es die gar nicht mehr gibt.
Ich habe gerne ein ausuferndes Regelsystem, aber eben nur eines. Ich habe GURPS, aber kein Interesse andere Kennenzulernen. Die anderen Regeln dürfen dann einfach sein. Ich habe CoC und Savage Worlds als zweitregeln drauf, aber mich jetzt noch in D&D, DSA oder Midgard oder den anderen neuen Systemen einzuarbeiten, schränkt mich ab.
Hehe, sehr schön so eine exakte Messung! 🙂 Bekommt man denn auf dem Flohmarkt für Rollenspiele überhaupt annährend vernünftige Preise? Die GURPS-Bände eignen sich ja auch prima als Recherchematerial und Inspirationsquelle. Wie viele Bände hast Du denn da in etwa von GURPS, bzw. wie viele gibt es denn ungefähr?
Flohmarkt ist der Oberbegriff für eBay, Foren- und Conflohmarkte.
Auf dem allgemeinen Flohmarkt geht es nicht weg.
Ca. 150 GURPS Werke sind es, die ich habe und ich meide alle Sci-Fi Sachen von GURPS, sonst sollte es für die 3. Edition fast alles sein.
Minimalismus ist bei der Entwicklung von Rollenspielen — wie auch eigentlich überall sonst — eine sinnvolle Prämisse, solange er nicht zum Selbstzweck wird — solange also nicht mit sportlichem Eifer versucht wird, noch mehr wegzulassen, einzudampfen oder zu abstrahieren.
Gerade bei den angesprochenen Indie-Spielen hat man leider oft das Gefühl, dass sie mehr designästhetische Fingerübungen als gut verwend- oder spielbare Produkte sind. Die leitende Frage sollte eben auch bei kleinformatigen Rollenspielen die Frage nach dem sein, was in der Praxis wirklich wichtig und nötig ist. Genau da liegt m. E. die in der Folge angesprochene Nulllinie. „Was brauche ich wirklich?“
Als gutes Beispiel für ein wirklich minimalistisches Regelsystem, das dennoch (für bereits etwas erfahrenere Rollenspiel) recht praxistauglich ist, möchte hier einmal „GURPS Ultra Lite“ erwähnen, das es schafft, auf einer einzigen Seite (!) ein universelles Regelwerk zu präsentieren. Der Produkt ist kostenlos und kann im Shop von Steve Jackson Games (nach Anmeldung) heruntergeladen werden. Es ist hier zu finden: http://www.sjgames.com/gurps/books/ultra-lite
„Designästhetische Fingerübung“ ist eine sehr gute Bezeichnung. Danke für den Hinweis auf GURPS Light!
Gerne. Eine sehr schöne Folge übrigens!
Aber nochmal zu GURPS: Tatsächlich gibt es sowohl „GURPS Lite“ (32 Seiten) als auch „GURPS Ultra Lite“ (1 Seite Regeln, die andere ist eine Faltanleitung ;)). Beide Versionen sind kostenlos.
Hi,
Ich habe etwa 7 Regalmeter Rollenspielsysteme zuhause, da ich aber seit Jahren vor allem kleine Indiesysteme sammle finde ich das kein gutes Maß. Ich dürfte so 400+ Regelwerke in physischer Form (ausgedruckt und/oder gekauft) besitzen.
Wieviele Regeln brauche ich wirklich? Naja, ich spiele seit 14 Jahre eine durchlaufende Cthulhu-Kampagne mit dem Einsteigerheftchen. Wir haben uns gerade ein Upgrade gegeben und sind auf die Einsteigerregeln der 7. Edition umgestiegen. Woohoo! Das dürfte wohl alles sagen …
So ganz kann ich Jan nicht zustimmen. Ich bin der Meinung ,dass GERADE die designästhetischen Fingerübungen Beachtung verdienen. Sie geben die Ideen und Impulse, die das Hohhy Rollenspiele mittelfristig weiterentickeln. Ein gutes Beispiel ist z.B. „Polaris“ von Ben Lehman, das 2005 ein Hauptauslöser der Indie- und GMless-Welle war.
Besonders hinweisen möchte ich auf die 200 Word RPG Challenge (https://200wordrpg.github.io/winners). Ja, man kann ein gutes Rollenspiel in nur 200 Wörtern schreiben! Dort nehmen jedes Jahr hundert Autoren teil und es ist alles frei zum Download. Schaut doch mal rein! (nein, ich kriege absolut kein Geld von denen)
Hier in München gibt es eine richtige kleine Fangemeinde, die diese Kleinodien abfeiern.
Danke für die interessanten Verweise! Polaris kenne ich noch nicht. Was zeichnet dieses Spiel (das jetzt immerhin ja auch schon 13 Jahre alt ist) denn vor allem aus?
Hi Carsten,
Polaris hat eine Menge Eigenheiten. Hier nur mal ein paar Sachen, die meiner Meinung nach den Markt beeinflusst haben:
– GMless: Ein Spieler erzählt immer eine Situation und die anderen Spieler übernehmen, Atagonisten, Freunde und quasi-neutrale „Bystanders“. Das System rotiert dann am Tisch. Spielleiterlose Systeme sind ja ganz stark angesagt im Erzählspiel-Bereich unseres Hobbies
– Tragödie: Man weiss von Anfang an, dass man eine Tragödie spielt, dass also Alles schlecht ausgehen wird. Das hat Spiele wie z.B. 10 Candles stark beeinflusst.
– Minimalistisches Design: Ein stilisiertes elegantes minimalistisches Design ist ja heute das Kennzeichen vieler Indies und gilt dort oft als „schick“
– Autorenwerk: Mir ist vor Polaris nur sehr selten aufgefallen, dass ein ganzes System von einem Autor getrieben war und dass der Autor quasi als „Star“ der Szene als Person abgefeiert wurde. später gab es dann mehrere solcher Leute, z.B. Jason Morningstar oder John Wick (nein, nicht der aus dem Film 😉 )
Herzlichen Dank Rupert! Das hört sich wirklich interessant und vor allem eben sehr grundlegend und wohl auch stilbildend für die Indie-Spiele an. Hast Du vielleicht einen Link zu dem System? Bei meiner Suche danach bin ich spontan auf ein Endzeit SiFi-System gestoßen – ist es das oder ist das ein anderes RSP?
Erstmal danke für die Folge. Nach Midgard und Lovecraft geht´s endlich mal wieder um etwas, das mit mir zu tun hat. Hat mich gefreut!
Die kleine Reihe von System Matters ist auf jeden Fall ein Riesengewinn für die deutsche Rollenspielszene. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist das https://www.erzaehlspiel-zine.de/ von Tina Trillitzsch und Thorsten Panknin. Erwähnenswert ist auch der https://www.3w6-podcast.com/ Es geschieht im deutschsprachigen Bereich zumindest ein wenig in dieser Richtung, was mich sehr freut.
Ich spiele diese regelarmen Erzählspiele jetzt seit etwa 4 Jahren, nicht ausschließlich, aber in immer stärkerem Maße. Nicht jedes Spielerlebnis haut mich um, generell geht das aber in eine Richtung, die ich mir wünsche. Ich habe festgestellt, dass ich intensivere Spielerlebnisse habe, wenn ein Spiel wenige, logisch aufgebaute Regeln hat, die ich ohne nachschlagen zu müssen nach ein oder zwei Lesevorgängen im Kopf habe. (Mein Highlight war übrigens Wilhelm Persons „Okult“). Systeme, in denen Sonderregeln für Kehlbisse von Wölfen auftauchen, versuche ich zu umgehen.
Sicher ist das alles Geschmacksache. Ich finde es aber gut, dass die Spiele ein bisschen stärker ins Bewusstsein der deutschen Rollenspielszene rücken… schon allein um Spielern muit entsprechendem Interesse eine Alternative aufzuzeigen.
Vielen Dank für die interessanten Links! Das Erzählspiel-zine werde ich mir gerne mal etwas genauer anschauen. Den 3W6 Podcast höre ich selbst sehr gerne 🙂
Ich habe ca. 1 Expedit-Fach voll, das meiste davon Cthulhu. Das liegt aber vor allen Dingen daran, dass ich die Cthulhu-Werke gerne lese. Das meiste davon ist ungespielt. Ich hätte durchaus Bock dazu die Sachen auch mal zu leiten, aber die Vorbereitung eines großen Kaufabenteuers oder gar einer Kampagne ist einfach unglaublich anstrengend. Einfach nur ein- oder zweimal lesen und runterspielen geht nicht, wenn ein ordentlicher Spannungsbogen entstehen soll.
Grundsätzlich finde ich aber die meisten Rollenspielwerke unglaublich anstrengend und lese sie deswegen auch nicht gerne. Vieles wirkt einfach nur unglaublich beliebig (sowohl in der gamistischen Schiene als auch in den Werken zum Erzählrollenspiel) und von all den Regeln hat man am Tisch dann oft auch nicht viel, denn das Nachschlagen am Tisch ist tödlich für die Stimmung. Für mich bleiben also vor allen Dingen Werke, die auch beim reinen Lesen Spass machen können, indem sie in einem ordentlichen narrativen Kontext Infos bieten, die ich später spontan wieder verwenden kann. Das Kreaturenbestimmungsbuch von Cthulhu oder auch der Prag-Band machen das vorzüglich.
Du hast vollkommen Recht – im Idealfall sollten RSP-Publikationen sowohl Spaß beim Lesen machen als auch sich eben gut zum Spielen nutzen lassen. Ich kann mich z.B. an ein paar DSA-Abenteuer erinnern, da wurde zu sehr auf den Meister als Leser aber nicht als Spielleiter geachtet, sodass z.B. ihm auch nicht am Anfang überblicksartig verraten wurde worum es geht. Aber ein Glück gibt es ein auch einige Publikationen, wo das prima gelingt, wie die von Dir erwähnten Musterbeispiele!
Welche großen Cthulhu-Abenteuer würdest Du denn gerne mal spielen, hast Dich aber bislang noch nicht an sie heran getraut?
Ich habe knapp 3 Regalmeter Rollenspiel, von denen allerdings einiges schon wieder auf der Abschussliste steht und ich anderes nur aus sonstigen Gründen behalte, es aber nicht (mehr) aktiv nutze.
Spiel- und praxisrelevant sind es dann eher 1,5 Regalmeter.
Meine Sammelschwerpunkte kann ich nicht kurz und eindeutig beschreiben. Eigentlich sind es z.B. sehr viele taktisch orientierte, simulationistische Systeme – aber viele der großen Brocken, die man damit in Verbindung bringen würde, kommen mir nicht ins Haus. Und umgekehrt sind da auch einige recht schlanke Sachen drunter, die zwar taktisch und simulationistisch, aber gerade nicht umfangreich oder extrem komplex sind (teils aber unverdient/ungerechtfertigt diesen Ruf haben wie z.B. Millennium’s End).
Andersrum kann ich auch nicht einfach sagen „ich sammle Systeme, die mir gefallen“, weil das eine absolute Nullaussage ist. Es ist aber insofern die notwendige Antwort, weil mir ganz entschieden nicht alle umfangreichen Systeme gefallen, nur WEIL sie umfangreich sind und das gilt natürlich auch für die schlanken Systeme.
(Ist euch die geschickte Überleitung zur letzten Frage aufgefallen? :D)
Unterm Strich müssen mich die Regelwerke davon überzeugen, dass sie ihre Sache gut machen und da bin ich ziemlich schwer zufriedenzustellen.
Mein Simulationismus-Schwergewicht ist z.B. GURPS 4 und unterm Strich muss ich angesichts der Ausrichtung des Regelwerks und seiner Produktionsgeschichte und -bedingungen sagen: Da kommt eh kein anderes System dran – wer damit direkt in Konkurrenz tritt, kann allerhöchstens gleichziehen, aber rundum besser macht das keiner (mehr).
Dann schaffe ich mir das Regelwerk auch gerne drauf, weil ich weiß, dass sich der Aufwand für mich lohnt. Z.B. D&D 3.5, DSA 4 oder SR 5 machen dagegen ganz entschieden nicht das, was ich mir von einem Regelwerk erwarte, so dass ich die im Leben nicht leiten würde – und spielen auch nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Speziell SR5 ist an ganz vielen Stellen einfach nur unheimlich schlechtes Spieldesign, so was tue ich mir nicht mehr an.
Das heißt dann aber andersrum nicht, dass ich mir unbesehen alles von einem für mich guten System hole. Gerade von GURPS habe ich nur eine Handvoll Bücher – nämlich jene, die mir das Basteln erleichtern und sinnvolle Informationen und Denkanstöße liefern (GURPS ist in der Hinsicht sowieso speziell, weil Erweiterungen nur sehr selten neue Regeln liefern, sondern bestehende Regeln anders beleuchten und neue Interpretationen und ein paar zusätzliche Details anbieten – GURPS hat also trotz der enormen Menge an Erweiterungen kaum Power Creep, was ich sehr angenehm finde).
Bei anderen Systemen halte ich das ähnlich. Abenteuer kaufe ich kaum und bei Regelerweiterungen bin ich auch sehr selektiv – was ich nicht brauche, kaufe ich nicht. Bisweilen wird mir da die Entscheidung sowieso abgenommen, weil von manchen Systemen einfach nicht so viel erscheint, bis sie wieder eingestellt werden (Dark Heresy 2nd oder Twilight 2013 wären gute Beispiele).
Damit sind wir dann auch bei einem der „schlechten“ Gründe, warum Systeme so umfangreich sind: Gerade die alten Platzhirsche sind organisch gewachsen zu Zeiten, als mehr Umfang und mehr gesonderte Regeln für allen möglichen Kram als inhärent besser wahrgenommen wurden – und wie im Podcast angeklungen geht von denen kaum einer her und legt später mal die Axt an die ganzen Wucherungen. Ganz im Gegenteil gibt es dann bei jedem Editionswechsel eine ganze Menge an Erweiterungen, die man pflichtschuldig abarbeiten muss. Paradebeispiel Shadowrun: Da kommt dann eine Magie-Erweiterung, eine Cyberware-Erweiterung, ein Arsenal, ein Riggerbuch, ein Matrixbuch…und dann ist gefühlt erst das Grundregelwerk vollständig (!) und man kann sich als Autor an Dinge setzen, die tatsächlich inhaltlich neu sind.
Dass hier als Reaktion längst ein mehrschichtiger Gegentrend entstanden ist, wundert mich kein bisschen (und ich mache das an vielen Stellen auch so):
Konversionen auf einfachere Systeme, OSR-ähnliche Retrobestrebungen oder radikales Beschränken auf das GRW und ggf. einige wenige Erweiterungen (was ja in Sachen Diskussion mit Spielern noch mal ein Thema für sich ist, wenn man „offizielles“ Material explizit ausschließt) – das ist mir alles ein Begriff und ich kann den Reiz dieser Maßnahmen gut nachvollziehen.
Den Trend zur Hintergrund-Schwemme bei einigen großen Systemen kann ich da schon eher nachvollziehen und daran sieht man auch ganz gut, dass hier ähnlich wie im Regelbereich zwei unterschiedliche Bedürfnisse gedeckt werden: Die einen wollen viel Lesematerial und haben Spaß dran, sich das alles reinzuziehen; die anderen wollen nur ein paar gute Ideen, Denkanstöße und Inspiration und wollen dann aber nicht mehr durch offizielles Detailmaterial oder den bösen Metaplot ausgebremst oder gegängelt werden.
Analog gilt das für Regeln, wo die einen glücklich sind, wenn sie mit wenigen Regeln alles Mögliche abdecken können und die anderen für alles gerne einzelne Regeln haben und sich dann auch daran freuen, unterschiedliche Varianten herauszuarbeiten, Schlupflöcher zu suchen usw. usf. – da ist das Regelwerk dann ein gutes Stück weit Selbstzweck.
Von daher kann man sicher nicht sagen, dass einer der beiden Wege zwingend falsch sein muss und der andere richtig – es sind einfach zwei unterschiedliche Denkrichtungen.
Genau so ist der logische Endpunkt minimalistischer Regelwerke „nach unten“ nicht, gar keine Regeln mehr zu haben. Vielmehr hängt das davon ab, was ich mir zu Beginn der Regelentwicklung in Sachen Detailtiefe und Abstraktion vorgenommen habe und wie nahe ich an dieses (frei gesetzte!) Ziel heran komme. In dem Kontext geht es mir dann auch unheimlich auf den Keks, wenn spätere Erweiterungen mit dem ursprünglichen Detail- und Abstraktionsgrad brechen.
Unterscheiden muss man hier auch auf der einen Seite „konventionelle“ schlanke Systeme, die „nur“ möglichst wenig Regelumfang haben wollen, aber inhaltlich breit aufgestellt sind und auf der anderen Seite Indiespiele, die inhaltlich unheimlich stark fokussiert sind und deswegen mit wenigen Regeln auskommen. Auch hier gibt es keine klare Einteilung in richtig und falsch, wobei ich für mich schon sagen kann, dass ich den Großteil der Indiespiele nicht nur als one-trick-ponies, sondern sogar als ziemliche Mogelpackungen empfinde. Die sind schnell so überspezialisiert, dass für mich der ursprüngliche Reiz am Rollenspiel verloren geht und kaum Wiederspielwert über einige wenige Sitzungen hinaus besteht.
Zusammengefasst: Dicke und Schlanke Regelwerke folgen zwei unterschiedlichen Designphilosophien und bedienen unterschiedliche Spielerinteressen, aber als weitere Achse muss man immer betrachten, wie gut sie das jeweils hinbekommen.
Auch heute arbeite ich mich in komplexe Systeme ein, wenn sie mich überzeugen – das ist nur nicht sonderlich oft der Fall. Umgekehrt gibt es viele schlanke Systeme, die mich nicht (mehr) begeistern, weil es neben dem geringen Umfang noch andere spielmechanische Kriterien gibt, bei denen man sich gewaltig verrennen kann – auch in der späteren Entwicklung über die Editionen hinweg, wie das für mich z.B. bei Savage Worlds der Fall ist.
Und ganz zuletzt kommt noch der wirtschaftliche Aspekt hinzu. Ein Rollenspielverlag lebt eben davon, Rollenspielprodukte zu verkaufen – da MUSS ja ständig Neues kommen, was erst mal nichts Schlechtes ist, wenn es nicht so viele Spieler gäbe, die sich verpflichtet fühlen, alles Offizielle dann auch zu nutzen.
Wer dagegen als Hobby-Autor den Luxus hat, ein schlankes System nur zum Spaß zu entwickeln, der kann viel eher sagen: Ja, mit dem einen Regelwerk bin ich damit durch – ich habe mein Bestes getan und da kommt höchstens in einigen Jahren eine aufgrund von Spielerfahrungen verbesserte Version, aber sonst nichts.
Das bekommt in der Form ein Verlag nur hin, wenn er viele Autoren mit ihren jeweiligen Spielen im Programm hat – in jedem Autor „steckt“ nur eine begrenzte Anzahl an wirklich guten Spielen und irgendwann werden alleinstehende, eher schlanke Regelwerke zur lieblosen Fließbandarbeit.
Ich habe ca. 1,5 m Regeln sowie ca. 1 m Abenteuer. Hauptsächlich Midgard, aber auch noch andere (Traveller, Cthulhu, Indie).
Aber eigentlich ist das gemogelt, da ich noch 2 Kartons voll mit anderem Kram habe (japanische Rollenspiele sowie französische Rollenspiele, Fiasko und Cyberpunk 2020).
> Wie viele Regalmeter Rollenspiel besitzt du?
Ich habe den Zollstock in der Schublade gelassen, über den Daumen gepeilt und bin bei rund 6 Metern gelandet.
> Welche Schwerpunkte hat deine Sammlung?
Aktuell gibt es drei Schwerpunkte: Englisches Ars Magica (mehr oder weniger abgeschlossen, da es aktuell keine weiteren Veröffentlichungen von Atlas Games gibt), englisches Pendragon und deutsches Call of Cthulhu.
> Wie stehst du zu ausufernden oder zu schmalen Rollenspielen?
Ich bin tendenziell ein Freund davon, möglichst viele Optionen angeboten zu bekommen. Ob ich das Detail nutze, regele ich im Spiel bzw bei Zusatzbüchern über meine Kaufentscheidung. One-Pager oder Schmalspurlösungen a’la „und folgenden Rest müsst ihr euch dazudenken“ fallen bei mir häufig durch.
Moin,
Runequest: Roleplaying in Glorantha auf das ihr möglicherweise anspielt ist übrigens kein Universalsystem, sondern ein Rollenspiel das für das Fantasysetting Glorantha geschrieben ist.
Universell wäre das ähnliche aber nicht identische Mythras.
Gemeint war vermutlich Basic Roleplaying, dass aus Runequest hervorgegangen ist und auf dem Call of Cthulhu, Sturmbringer und weitere Systeme basieren.
Ja, genau danke – wir meinten das BRP-System, mit dem ich bislang nur praktische Erfahrungen in Cthulhu habe; irgendwann probiere ich aber auch mal Fantasy damit aus 🙂
Bei mir sind es 1,5 Billys voll mit Rollenspiel-Sachen. Da wandert aber vieles nach und nach in den Verkauf und ich wechsel auf Erzählspiele, schlanke Systeme wie Beyond the Wall, PbtA Spiele oder Sachen, wo man den ganzen Hintergrund nicht zwingend braucht, wie Chtulhu. Die „Kleine Reihe“ von System Matters liebe ich ebenfalls, lauter tolle Sachen. Weiterer Tipp: Microscope, ganz großes Kino! Ten Candles, Society of Dreamers, Everyone is John. So viele wunderbare Sachen die kaum bis keine Vorbereitung benötigen und sofort gestartet werden können. Mit den Monstersystemen konnte man mich aber schon immer jagen. Da hatte ich nie Zeit und Lust das alles zu lesen, war mir schon damals bei AD&D2nd Edition zu viel.
Microscope kenne ich leider noch nicht. Ten Candles, Society of Dreamers und Everyone is John finde ich auch absolut toll!
Meine Rollenspielsammlung umfasst nach aktueller Inventur 560 Objekte (physische, nicht digitale). Davon sind die größten Anteile DSA mit 73 Publikationen, D&D mit 55 und Cthulhu mit 52. Selbst mein Lieblingssystem Fate kommt nur auf 32.
Wie man an dieser Verteilung schon sieht, ist meine Sammlung über sehr viele Systeme verteilt. Dabei liegt mein Interesse weder bei den langen, noch bei den kurzen Reihen, sondern bei denen, aus denen ich gut klauen kann. Für mich ist das allermeiste nämlich reine Inspirationsquelle. Ich empfinde die Frage, ob ich all diese Systeme auch spiele, immer ein wenig so, als ginge ich zu jemandes Küchenschrank und fragten ihn, ob er jemals den puren Essig tränke. So funktionieren Zutaten nicht.
Wenn es ums Spielen oder Leiten geht, nehme ich diese Zutaten und spiele sie meistens mit Fate. Hier mag ich dann das Schlanke. Vor allem, weil die Fate-Regeln extrem effizient sind. Man kann den Regelkern auf eine Tabelle 4×5 runterbrechen. Als Naturwissenschaftler begeistert es mich eben, die Fate-Theorie-von-Allem zu kennen – und sie kommt mit vier Raumzeitdimensionen aus!
Zu den Themen der Folge, zwei Anmerkungen:
Was gespielt wird und was gekauft wird, korreliert nur ein wenig miteinander. Umfangreiche Rollenspiele sind als Produkte beliebter, das kann jeder Verlag bestätigen. Ob sie das auch als Spiele sind, das scheint niemand so recht zu wissen.
Es besteht aber Konsens über den Trend: Immer mehr geht zu kürzeren Spielen, die schneller gespielt werden können. Schließlich haben die Leute weniger Zeit und die direkte Befriedigung durch Videospiele ist unser harter Konkurrent. Das gilt vor allem für Neulinge, die man ins Boot holen möchte.
Wie die RocketBEANS gerade zeigen, kann man mit dem richtigen Format mehr Grundregelwerke verkaufen als jedes andere System in Deutschland, aber eben komplett an den Alten Hasen vorbei, primär an Neulinge gerichtet, die den direkten Einstieg suchen.
Was GURPS angeht, wurde hier das Gegenteil getan. SJ Games entschied sich schon vor Jahren, nur noch Direktvertrieb zu machen. Auf kurze Sicht brachte das große Vorteile, weil man die Händlermagen nicht mehr zahlen musste. Aber mit dem Verschwinden von GURPS aus den Läden brach praktisch der gesamte Nachwuchs ein. Die GURPS-Szene dreht sich daher aktuell primär um sich selbst und stagniert.
Ein Problem, welches ihr für den deutschen Fall Midgard sehr schön herausgearbeitet habt.
Die Rocketbeans zeigen mMn vor Allem, dass es oft viel mehr auf Randfaktoren ankommt als auf das eigentliche Regelwerk – die Frage, wie oft das dann wirklich gespielt wird, mal ganz außen vor.
Da komme ich mir mit meinem Fokus auf für mich gelungene Spielmechanik schon deutlich als Exot vor. Es gibt genug erfolgreiche Systeme, wo ich mir bei jedem Kontakt denke: So kann man das doch nicht machen. Aber die laufen und solange ich „meine“ Alternativen habe, soll es mir recht sein.
Beim Trend zu schlankeren Spielen muss man genauer hinschauen. Da gibt es einerseits die Spieler, die genau so was immer wollten und nur in den 80ern und frühen 90ern schlicht nicht in tauglicher Form hatten. Die sind damals z.B. zum großen Teil auf die WoD angesprungen. Heute sind die mit schlanken Systemen vollauf zufrieden.
Daneben gibt es aber noch jene, die das als Einstieg zwar annehmen, sich dann aber auch spielmechanisch eingehender mit dem System befassen wollen und bei den großen Brocken auf die „Vollversion“ wechseln oder anderweitig von den schlanken Systemen wegkommen. Die vollziehen praktisch für sich die Entwicklung des Hobbys in der zweiten Phase hin zu den dicken Brocken nach und scheuen dann auch den erhöhten Aufwand nicht – der macht ja gerade den Reiz aus.
Und als letztes hat man jene, die gerne weiter mit den Schwergewichten spielen würden, aber das tatsächlich aus verschiedenen Gründen zeitlich oder mental nicht mehr leisten können. Die suchen dann eher zähneknirschend nach Alternativen oder frieren auf dem System ein, das sie nach Jahren und Jahrzehnten aus dem FF beherrschen, statt sich begeistert auf schlanke Systeme zu stürzen oder sich überhaupt neue Systeme anzuschauen.
GURPS war spätestens ab Ende der 90er eh schon Nische – die Entscheidung, sich aus den Läden zurückzuziehen, kam ja nicht deswegen, weil man so fett im Geschäft war 😉
Ich bin ja überzeugter GURPSler, aber mir kann keiner erzählen, dass man mit anderer medialer Präsenz, anderen Marketing- und Vertriebskonzepten usw. GURPS zu einem richtigen Spitzenreiter machen könnte. Das ist abseits aller mMn sehr gelungenen Umsetzung mit seinem Designprinzip völlig aus der Zeit gefallen und hat obendrauf eine ziemlich hohe Einstiegshürde.
Und andersrum: Wer genau diese Art von Spiel sucht, findet es auch heute noch schnell und einfach. GURPS muss man quasi bewusst wollen, das spielt man nicht mehr oder weniger zufällig. Von daher würde ich sagen, dass GURPS seine Nische ziemlich bestmöglich ausgefüllt hat. Da gibt es kein riesiges, verstecktes Spielerpotential, die das begeistert spielen würden, wenn sie doch nur davon wüssten.
Hallo YY (spricht man das eigentlich so, wie man es schreibt?),
an allem, was du schreibst, ist etwas dran. Aber allem kann ich so nicht ganz zustimmen.
Natürlich gibt es unter den Spielern auch Ausnahmen, die hin zu mehr Regelkomplexität gehen. Aber die Norm ist es eben nicht.
Das sieht man auch schön an Systemen wie D&D 5, das sich ja nicht aus Entscheidung des Verlags, sondern durch Rückmeldungen in der Beta zur Regelschlankheit entwickelt hat.
Die Frage ist eben, wie viel Freizeit man für Rollenspiel überhat. Das ist nicht dasselbe wie, wie viel Freizeit man Summa Summarum hat. Und je mehr andere Zerstreuungsoptionen bereitstehen, desto leichter muss der Griff zum Rollenspiel sein. Wenn ich erst vier Stunden investieren muss, bevor es losgeht, habe ich bis dahin die meisten Videospiele schon zum ersten Höhepunkt gespielt. Das gilt sicherlich nicht für alle Leute, aber merklich ist es im statistischen Mittel schon sehr deutlich.
(Die alte Leier, Videospiele würden durch sofortige Belohnung den Jugendlichen die Geduld abgewöhnen (die übrigens nicht ganz falsch ist), kehrt sich in den letzten Jahren allerdings durch Minecraft um, welches viel längerfristiges Denken erfordert. Mal schauen, wo das hinführen wird…)
GURPS war nie die Erste Liga, keine Frage. Aber es gibt schon einen Unterschied zwischen Zweiter Liga (wo man ja mal eine Vampire-Adaption herausbrachte) und Kreisliga (wo man jetzt rumdümpelt). Ich erinnere daran, dass die aktuelle Version des Scheibenwelt-Rollenspiels noch auf GURPS basiert, das aber nicht mehr auf den Einband schreibt, weil der Kunde nicht verwundert sein soll, was zur Hölle den bitte GURPS sei. (Und das liegt nicht daran, dass man Rollenspielneulinge ansprechen will. Dazu passt nämlich die Vertriebsstrategie überhaupt nicht.)
Bei der Aussprache des Nicks habe ich mir rückblickend erstaunlich wenig Gedanken gemacht 😀
Die beliebtesten Varianten sind Üps, Ü-Ü, Wai-Wai oder ÜÜÜÜÜÜÜ 😀
Igrek-Igrek finde ich zwar sehr sympathisch, hat sich aber leider nicht durchgesetzt.
Die Frage, wie viel Freizeit man für Rollenspiel hat (sprich, sich für Rollenspiel NIMMT), hängt untrennbar damit zusammen, woran man in dem Kontext überhaupt Spaß hat.
Der „Fluff-Junkie“ pfeift sich auch mit Mitte 30 jeden neuen Regionalband rein und schaukelt dabei das kleine Kind auf den Knien, von dem sich andere in rollenspielerischer Hinsicht deutlich eingeschränkt fühlen. Und der überzeugte Regelfuchs hat immer Zeit, um Waffenlisten zu wälzen, Charakteroptionen durchzurechnen oder Programme zu schreiben, welche in x-tausend Testkämpfen zwei scheinbar gleichwertige Feats vergleichen.
Der Knackpunkt ist dabei, welchen Anteil diese Gruppen an der Spielerschaft stellen und wen man wie bedienen will und muss – daher kann es da auch keine pauschale Aussage geben wie „ALLE Systeme gehen in der Komplexität zurück und das ist gut so“.
D&D ist mMn ein sehr interessanter Sonderfall, weil die 5. Edition eine Abkehr von beiden Vorgängereditionen darstellt. Einmal gab es D&D 3.5, das in Sachen Spielstil eher breit aufgestellt war und absurden Regelumfang bot und auf der anderen Seite gab es das nicht ganz so umfangreiche D&D 4, das mit einer bemerkenswerten Konsequenz auf einen bestimmten Spielstil zugeschnitten war.
Mit D&D 4 hatte man sich schlicht verschätzt, was die Bedeutung dieses Spielstils in der Zielgruppe anging und gleichzeitig gab es viele, die sich mit D&D 3.5 überfordert sahen (das alte Thema: Man könnte sich zwar auch einfach selbst einschränken, aber wenn es offizielles Material gibt, fühlen sich viele Spieler diffus verpflichtet, das auch zu benutzen).
Da war D&D 5 nur die konsequente Abkehr von (aus Sicht vieler Spieler) zwei Fehlentwicklungen wieder hin zu mehr Breite im Spielstil und einem zumindest nicht völlig erschlagenden Umfang.
Diese Möglichkeit sehe ich für Pathfinder 2 nicht, weil Pathfinder ja schon das Spiel für genau jene war, die D&D 3.5 weiter so wollten, wie es war. Da muss PF 2 im Grunde so ausgerichtet bleiben und seine Sache „nur“ handwerklich besser machen…man wird sehen.
Andere Systeme mussten lediglich den Schritt zurück von immer mehr Komplexität gehen wie z.B. DSA5, wo die Komplexität jetzt immerhin ganz explizit optional ist.
Damit war aber keine Neuausrichtung im Spielstil verbunden.
Was die Aufmerksamkeitsspanne von Jugendlichen angeht, bin ich zwar teils bei dir, aber ich verorte das eher allgemein bei unserer Medienlandschaft – und dazu gehört für mich höchstens die Art von Videospielen, die ich alter Gamersack nur mit großem Widerwillen überhaupt als Videospiele gelten lasse 😉
Mir begegnen jedenfalls immer noch genug Gamer im Teenageralter, die kein bisschen anders sind als ich in dem Alter; die verbeißen sich auch abseits von Minecraft mit einer Hingabe in manchen Spielen, dass ich da bestimmt nicht von mangelnder Aufmerksamkeitsspanne sprechen würde. Und das sind dann auch jene, die zumindest kein Problem mit „dicken“ Rollenspielen haben – aber die stellen natürlich nicht die Mehrheit.
Mit übertrieben zurechtgestutzten Einsteigerangeboten oder sonstigen Systemen, bei denen es gefühlt vor Allem schnell gehen muss, habe ich jedenfalls so meine Probleme.
Im Komplexitäts-Mittelfeld gibt es genug „normale“ Spiele, mit denen man Einsteiger abholen kann und mit denen sie ggf. nach einer „dicke Regelbrocken“-Phase ihre persönliche OSR erleben und sich irgendwann denken: Stimmt, mein erster SL hatte doch Recht und mehr Regelwerk braucht man nicht.
Grundsätzlich sehe ich Rollenspiel als explizites Gegenangebot zu allem, was diese kurze Aufmerksamkeitsspanne begünstigt. Ich muss da nicht auch anfangen, zu blinken und zu piepen, im Minutentakt Mikrobelohnungen zu vergeben oder sonstwie in direkte Konkurrenz zu Sachen zu treten, gegen die ich in der Hinsicht nur verlieren kann, sondern darf und sollte mich auf die Stärken des Mediums besinnen.
Ich kann mich (dunkel und verschwommen :D) an die Kommentare meines erweiterten Umfelds zu Beginn meiner Rollenspielzeit erinnern: Da wurde oft Unverständnis geäußert, mit welcher Geduld und Hingabe sich die jungen Burschen mit ein paar Zetteln stundenlang in ein Zimmer setzen – und ich dachte mir immer, dass die eben nur nicht wissen, was daran so cool ist. Daran hat sich bis heute nichts geändert und ich sehe beim Rollenspielernachwuchs in meinem Umfeld auch nichts, was da wirklich signifikant anders wäre als früher.
Rollenspiel ist und bleibt ein Nischenhobby, aber wer überhaupt der Typ ist, der daran längerfristig Spaß hat, der muss auch nicht mühsam eingefangen und gehalten werden, indem man mit sinnlosen Achievements und Mikrobelohnungen in Konkurrenz tritt.
Mainstream wird das nie; es kann in Sachen Nachwuchswerbung mMn nur darum gehen, den wenigen zukünftigen Rollenspielern zu vermitteln, dass es das überhaupt gibt. Den Rest machen die schon ganz alleine 🙂
Und ganz zuletzt noch zwei Gedanken zu GURPS:
1. Was man sich bei GURPS Scheibenwelt gedacht hat, ist mir immer noch ein Rätsel. Ich bin der Ansicht, dass GURPS abseits allen Gefasels in Sachen Universalsystem (was so gut wie immer eine Mogelpackung ist) seine klaren Stärken ganz woanders hat. Mir wäre im Leben nicht eingefallen, die Scheibenwelt mit GURPS zu bespielen.
2. Ja, GURPS Vampire…das ist laaaange her. Ähnlich wie bei anderen Adaptionen wie GURPS Deadlands usw. sehe ich da immer einen gewissen Zwiespalt: Einerseits will man den Leuten einen Werkzeugkasten verkaufen, mit dem sie den Rest selbst machen (müssen) und andererseits gibt es dann fertige Spiele, bei denen ich mir – ähnlich wie bei anderen Universalsystemen – höchstens ein paar Anregungen hole und viele Dinge dann doch ganz anders mache.
Diese Angebote haben mich nie sonderlich gereizt und genau das ist mMn grundsätzlich einer der großen Bremsklötze von GURPS in Sachen wirtschaftlicher Erfolg: Wenn man mit dem Grundregelwerk und den „abstrakten“ Erweiterungen die DIY-Fraktion bedient, dann machen die viele weiterführende Sachen und konkrete Anwendungen natürlich einfach selbst 😉
Ich habe sage und schreibe 11 GURPS-Bücher und wirklich genutzt werden davon 4-5. Die möchte ich keinesfalls missen, aber mehr brauche ich beim besten Willen nicht – den Rest kriege ich dann schon alleine hin.
Sehr interessante Überlegung! Würde auch gerne mal eine Korrelationsberechnung sehen von Verkaufszahlen auf der einen Seite und Häufigkeit an Spielen auf der anderen. Zu letzterem gibt es ja eine Statistik von online-Runden, die man verwenden könnte. Wie oft und gerne ein Rollenspiel gespielt wird, hat aber sicher schon auch Auswirkungen darauf, wie häufig es gekauft wird und die Nachfrage kann sich auch auf den Ausstoß an Produkten auswirken. Freilich gibt es auch andere Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Und natürlich werden viele RSP-Publikationen gekauft, aber nicht gelesen, geschweige denn gespielt. Die Frage ist nur, ob inwieweit das für bestimmte Systeme im besonderen Maße zutrifft.
Das Paradebeispiel einer „Regalkönigin“ dürfte prozentual das neue(re) Degenesis sein.
Da habe ich von mehreren Leuten ganz explizit gehört: „Ja klar kaufe ich mir das. Werde ich nie spielen, aber haben muss ich es.“
Ansonsten kann und sollte man das gerade bei den „elefantösen“ Systemen wohl auch nach Publikation unterscheiden.
Manch einer kauft sich die Erweiterung mit den fortgeschrittenen Kampfregeln auch nur der Vollständigkeit halber, aber die wird wohl trotzdem viel eher und häufiger/intensiver genutzt als irgendein obskurer Regionalband.
Wenn ein Verlag für ein System X Nippes wie schick gebundene ingame-Texte, Plastikreproduktionen ikonischer Gegenstände u.Ä. verkaufen kann, dann kann man davon ausgehen, dass das System auch einen großen Anteil an reinen Lesern und Sammlern bedient.
Degenesis kann da wirklich ein gutes Beispiel sein! Interessant wäre es ja mal so eine Art Index zu berechnen abhängig von RSP-Regelwerken wieviel Prozent von den gekaufen dann auch wirklich gespielt werden… 🙂
Mein Kommentar hier:
https://dnalorsblog.wordpress.com/2018/12/12/der-troll-hoert-podcast/
Vielen Dank für Deine differenzierte Besprechung zu der Folge! Du hast u.a. geschrieben:
„Ein Rollenspielsystem ist die Gesamtheit eines Rollenspiels, bestehend aus Regelsystem, Fluff und Abenteuer.
Ein Regelsystem beinhaltet alle Regeln (Basis und Zusatzregeln) eines Rollenspielsystems.
Fluff sind alle Texte und Bücher, die keine (oder wenig neue) Regeln beinhalten und kein Abenteuer sind. Das können Regionalbeschreibungen, Geschichtsbücher, Ingame-Notitzbücher, Musik-CDs usw. sein.
Abenteuer sind Geschichten, die die Spielerinnen gemeinsam mit einer Spielleiterin erleben.
…
Wenn wir von explodierenden Rollenspielsystemen sprechen, dann sollten wir schauen, wo denn das Rollenspielsystem explodiert.“
Das ist eine wichtige Unterscheidung. Man könnte hier sogar noch als viertes mit dazunehmen, wie oft ein Regelsystem neu aufgelegt wird, was sich nämlich dann nicht nur auf die neuen Regeln auswirkt, sondern auch auf die Fluff- und mitunter sogar Abenteuerbände, die ebenfalls dann nach den neuen Regeln neu aufgelegt werden.
Ich frage mich nur, ob sich das im Falle von explodierenden Rollenspielen so leicht trennen lässt. Denn zum einen gibt es eine ganze Reihe von Publikationen (wie z.B. das Cthulhu Grundregelwerk) oder Produktflöten (z.B. bei den DSA Crowdfundings), die sowohl Regeln, als auch Fluff und Abenteuer enthalten. Zum anderen explodieren Rollenspiele, wenn sie das tun, dann oft in mehreren der drei bzw. vier Bereiche.
Klar gibt es Beispiele wie z.B. die World of Darkness-Sachen, wo es ganz viele Veröffentlichungen, aber erstaunlich wenige Abenteuer gab. Aber auch da gab es Regeln und Fluff und auch mehrere Neuauflagen der Regeln.
Ich habe ~5,5 Regalmeter, was in etwa der Schwedischen Maßeinheit 1 QUADRAT-EXPEDIT entspricht 🙂
Nach Systemen liegt mein Schwerpunkt mit etwa der Hälfte (8 Fächer, nicht ganz 3 Regalmeter) bei DSA. Meine Sammlung wäre deutlich größer, wenn ich mich nicht in der Vergangenheit bei mehreren Umzügen in Wellen von den alten DSA 2, 3 und 4 Boxen und Regelwerken getrennt hätte. Ähnlich war es bei Shadowrun, wo die übliche Durchdeklination der Kataloge und Regeln für Matrix, Rigger, Magie, Cyberware, Waffen… mit jeder neuen Edition dann unbrauchbar wurden, zumindest aus meiner damaligen pragmatischen Sicht. Tatsächlich habe ich die Abenteuer aber immer behalten und sehe DNA/DOA, Queen Euphoria, Staub und Sterne oder die Orkland-Trologie heute als liebgewonnene Perlen der Sammlung an; Abenteuerplots bleiben für mich zeitlos, auch wenn die Regeln darin vielleicht nicht mehr passen oder Metaplots Teile davon obsolet machen.
Ansonsten belegen Cthulhu, Shadowrun und Space: 1889 (komplettes Werk) je etwa ein Fach, und Engel (komplettes Werk) zumindest ein halbes, machen also zusammen ein weiteres knappes Viertel der Sammlung aus. Das restliche Viertel bilden verschiedene Grundregelwerke mit vielleicht ein paar zusätzlichen Bänden für alle möglichen Systeme – und gerade in letzter Zeit auch Erzählspiele. Nach Art der Bände (nicht nach System) liegt der Schwerpunkt meiner Sammlung also auf Grundregelwerken und Abenteuern.
Ich mag eigentlich schon immer lieber leichtgewichtige Systeme; Die Engel- und Space:1889-Reihe, die ich beide komplett habe, aber auch z.B. FATE haben für mich ausgewogene, schöne und noch überschaubare Ausmaße: Ein Grundregelwerk, dazu passabel viel Hintergrund- und Abenteuermaterial mit nur punktuell neuen Regeln und vor allem Fluff.
Aber ich mag auch zunehmend Systeme, die mit einzelnen oder wenigen Büchern auskommen, eben diese Erzählsysteme, die ihr – das muss ich als Kritikpunkt dieser Folge mal anmerken – ziemlich lapidar und abfällig abhandelt. Da bitte ich um eine etwas differenziertere Meinungsbildung für die Zukunft 😉
Die kleinen Seitenhiebe auf Erzählsysteme gehören für mich untrennbar zum Eskapodcast dazu 😀
Zum Einen ist das noch lange nicht bösartig und zum Anderen unterstelle ich jetzt einfach, dass Martin sich weit genug damit befasst hat, um zu wissen, dass und warum es nichts für ihn ist.
Da darf man dann auch mal flapsig drüber reden, ohne jedes Mal einen Riesendisclaimer vom Stapel zu lassen, dass das alles nicht fies gemeint ist und Erzähl(rollen)spieler auch Menschen sind.
Darf man natürlich, alles okay 🙂
Aber man muss dann halt auch Widerspruch aushalten können.
Momentan aufgebaut sind ca. 10 Regalmeter. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf DSA, allerdings beinhaltet die Sammlung auch sehr viel Shadowrun, Warhammer, Mittelerde, Rolemaster, Earthdawn, Mage und Vampire und ein bisschen Cthulhu.
Ich sammel ausufernde Rollenspiele oder ich sammel ausufernd Rollenspiele?
Tatsächlich ist mir wichtig Systeme mit leicht erlernbaren Regeln zu spielen. Aber in Punkto Hintergrundswelt darf es gerne überbordend sein. Gerade die grüne DSA-Reihe mit ihrer Fülle an Möglichkeiten und den Hinweisen ob die Handlungsstränge im offiziellen Aventurien fortgeführt werden oder nicht. Ideen für Abenteuer und Kampagnen sind mir im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden. Da möchte ich noch mal auf einen Punkt zurückkommen, ihr habt euch während des Podcast zu Shadowrun und den Kampfpreisen geäußert. Ich kenne mich nur in 2.0 aus, allerdings habe ich mir auf der Nordcon die aktuelle Seattle-Box geholt. Ach du lieber Vati! Abenteuervorschläge wie: die Runner können Daten von a nach b bringen. Das denkt sich mein Sohn phantasievoller in 5 Minuten auf dem Klo aus. Das ist nur ein Produkt, aber wenn der Rest ähnlich tief daherkommt, wäre mir das nicht mal 19,95 € wert. Gerade solche Welten leben von einer gut ausgebauten Hintergrundswelt. Ich lasse mich gerne durch die Kreativität anderer inspirieren. Aber da sollte dann auch was kommen.
Bei mir dürfte es sich auf irgendwas zwischen zweieinhalb und vier Metern einpendeln. Viel alles Zeug von DSA 3 & 4 und World(s) of Darkness, inzwischen knapp ein halber Meter Pathfinder und ca noch mal so viel Savage Worlds. D&D inzwischen eigentlich nur noch die Grundregelwerke seit der roten Box, meinem Einstieg in diese Droge RSP…
Ich war einmal ziemlich regelfest in DSA4, doch inzwischen ist mir das gesamte Regelkonzept von DSA, sei es 4 oder 5, ein Graus, ein wahr gewordener Alptraum der Komplexität. Ich bin älter geworden, meine freie Zeit und meine Ausdauer im Hobby durch unfreiwillige Veränderungen im Familienleben drastisch weniger. Pathfinder, dessen Regelkern durch unzählige Erweiterungen unglaublich erweitert wurde, kann ich nur durch massive regelseitige Unterstützung eines Spielers
überhaupt noch leiten. So sehr es mich früher erfreut hat, spezifische und auch von einander abhängige Regeln zu haben, so wenig kann ich heute noch damit umgehen – oder neu erlernen, ich tue mich zB sehr schwer damit, mich in Splittermond einzulesen. Daher favorisiere ich inzwischen leichte Regeln wie Savage Worlds oder relativ regelarme Spiele wie die aus der World of Darkness (aktuell Werwolf W20).
Hey, eine tolle Folge, die ihr da gemacht habt – und so ganz nebenbei hat Martin ein Thema angeschnitten, dass m. E. ein Superknaller wäre: „Rollenspielprodukte zum Hören“. Würd‘ ich sowohl bei Regeln als auch bei Abenteuern etc. richtig gut finden. Die Ruhe zum Lesen zu finden fällt mir schwer. Aber Hörbücher (oder Podcasts 😉 – die gehen super nebenbei.
Tatsächlich habe ich mir Abenteuer-PDFs auch schon mit einer Vorlese-App angehört („@Voice“ f. Android). Das ging erstaunlich gut (abgesehen von Wertetabellen) und ich konnte mich beim Vorbereiten am Schreibtisch gleich zielgerichtet auf die kniffligen Parts stürzen.
Also Martin: falls du einen Kickstarter erwägst – ich wär‘ dabei 😉
Ich glaube, ich mache das einfach so. Aber vielen Dank für den Support! 🙂
Ich habe recht genau ein Ikea Liatorp Regal an Pen & Paper Büchern das sind 86 cm physischen Rollenspielmaterials. Das ist aber natürlich nicht ausschließlich „Regelwerk“, da sind auch regalfreie/regelarme Quellenbücher bei.
Ich hole mir was mich irgendwie reizt und was mir gefällt und ich mir leisten kann und will. Ich habe da verschiedene Systeme stehen und es darf auch gerne ein bisschen umfangreicher sein wie z.B. DSA, Splittermond oder D&D, aber ich merke wie mich zunehmen kleine schlanke Systeme, die sich auf das rollenspielerisch Wesentliche konzentrieren, reizen. Da z.B. Savage Worlds welches ich sehr angenehm in der Nutzungsweise finde. Oder Sachen wie Beyond the Wall und (will ich mich noch holen) Dungeon World gefallen mir da sehr gut.
Bei den „regelstärkeren“ Systemen hat es mir aber aktuell D&D am meisten angetan, da es einerseits tolle einfach zu nutzende Regeln liefert, dabei aber doch gut und schnell nutzbar und nicht so sperrig ist.
Da ich FATE auch in diesem Jahr häufiger mal gespielt habe und es mir durchaus sehr gefällt (habe da mit meinem lieben Freund Jörg Köster z.B. Seelenfänger gespielt) UND ich Superhelden Fan bin und sowieso sehr mit Wearing the Cape liebäugle, würde mich dieser Gewinn WIRKLICH SEHR freuen. 😀
Ich bin auf Holgers Seite! 45 Minuten ist eine Top Länge 😀
Und an Regalmetern haben meine Frau und ich zusammen etwa 4,5 Meter. Davon sind etwa 1,50 Shadowrun, 1,20 DSA und der Rest sind sonstige ^^
Ein guter Mix 🙂
Für Shadowrun 5 gibt es den Youtube Kanal „Complex Action“, der erklärt einzelne Regeln und zeichnet dazu kurze Cartoons. Hat mich schon mal gerettet, als ich als Spielleiter mal wieder die Regeln für das Durchschießen von genutzter Deckung vergessen hatte.
Am besten bei Earthdawn – auf amerikamisch der Podcast “Earthdawn Survival Guide” erklärt alle Regelaspekte in vielen Dutzend folgen – und das sehr gut aufbereitet, da einer der beiden einer der Entwickler bei FASA ist.