Würfel zu rollen und den Ork wegzuhämmern ist nur der erste Schritt, die Schritte zwei bis vierhundertelf bestehen nicht selten aus der intensiven gedanklichen Auseinandersetzung mit dem besten Hobby aller Zeiten. Ein waschechter Rollespielpodcastpionier und -gentleman der alten Schule setzt uns auseinander, was Rollenspieltheorie eigentlich ist, ob es sich dabei um eine würdige Beschäftigung handelt und warum sie so dermaßen mega fett viel Bock macht.
Cast: Martin, Andreas Länge: 01:03:50
Inhalt:
04:18 Schockierend: Hat der Barbar das Schwert seines Vaters am Ende wohl verschlampert?
13:41 Rollenspieltheorie im Wandel der Zeiten: In den frühen Zehner-Jahren komplett versackt?
16:14 Was kann Rollenspieltheorie im Idealfall leisten?
21:23 BIG-Model, GNS-Theorie, Critologie für Fortgeschrittene: Was wird verhandelt?
33:44 „Der Spaß und die Freude, die ihr gerade empfindet, ist komplett falsch, ihr Loser!“
37:54 Rollenspieltheorie im Stahlbad des investigativen Rollenspieljournalismus‘, Teil 1
50:06 Rollenspieltheorie im Scheinwerferlicht des rollenspielanalytischen Kreuzverhörs, Teil 2
Was wir gerne wüssten: Wie sind deine Erfahrungen, was Rollenspieltheorie angeht? Hast du dich schon einmal förderlich damit auseinandergesetzt? Welche Themen sähst du gerne gründlich diskutiert? Du kannst Andreas auch gerne eine Frage stellen oder seine Ausführungen kommentieren. 🙂
Links:
RPGnosis (Homepage)
Taktische Entscheidungen auf Charakter- und Spielerebene (Artikel)
Realismus im Rollenspiel – missliebig, missverstanden? (Artikel)
Rollenspieltheoriebereich im Tanelorn
Big Model + GNS (Langform)
Big Model + GNS (Kurzform)
Triakonta (Andreas‘ beinahe ausgereiftes eigenes Rollenspielsystem)
Schönes Interview.
Die Rollenspieltheorie finde ich per se gut und nützlich, um den Spielspass sicherzustellen.
Online bin ich dem meist nur in missionarischen Streitgesprächen begegnet, was mir das doch arg vergretzt hat.
In privaten Treffen mit der entsprechenden Gesprächskultur ist es mal nett, es treffen natürlich zu zuwenige Impulse aufeinander.
Früher habe ich mich immer gefragt wann die Leute eigentlich zum Spielen kommen und wer sich freiwillig mit den Rollenspieltheoretikern an einen Tisch setzt. Da gab es seitenweise fruchtlose Diskussionen mit Schaum vor dem Mund, die in der Regel darauf hinaus liefen, dass ein Nerd dem anderen die Kompetenz in Sachen Rollenspiel abgesprochen hat. Das war alles sehr schwierig. In meinen Gruppen gab es zu keiner Zeit Bedarf an Theorieaustausch. Unstimmigkeiten ließen sich in der Regel auf persönliche Animositäten zurückführen, bei denen auch kein wie auch immer gearteter Theorieüberbau etwas geändert hätte. Ich glaube, dass in einem privaten Rahmen, in dem man sich in der Regel mit Freunden und Bekannten zusammenfindet um dem Rollenspiel zu frönen, derlei Ideen niemanden wirklich weiterbringen. In den letzten Monaten ist ein DSA-Buch erschienen, was sich explizit an Anfänger des Hobbies richtete, in dem die verschiedenen Spielertypen nach „hastenichtgesehen“ aufgelistet waren. Was soll ein Einsteiger damit anfangen? Der findet dann raus, er ist dies und sein Kumpel ist das und kommt zu dem Schluss, das geht nicht zusammen, also lasse ich das Spielen sein?
Interessant finde ich den Ansatz zur Regelmechanik. Also wie verschlanke ich ein System und vereinfache es so gut es geht. Diese Überlegungen macht man aber vor allem als Entwickler und vielleicht sehr erfahrener Spieler. Allerdings bezweifel ich die Notwendigkeit einer „Rollenspieltheorie“ dafür.
Eine Frage an den Andreas möchte ich noch stellen. In den Jahren 2010-2012 waren meine Kinder besonders betreuungsintensiv und meine Zeit für’s Hobby sehr eingeschränkt. Umso mehr hat es mich gefreut neben der Arbeit euren Podcast zu hören. Besteht die Chance, diesen in irgendeiner Form wieder zu beleben?
Gruß
Jan
Danke für den Kommentar. Deine Diskussionserfahrungen habe ich auch gemacht, weswegen ich mich da letztlich auch aus Foren zurückgezogen und das eigene Blog aufgemacht habe – dort habe ich genug Zeit, um meine Beiträg (in beliebiger Länge) zu formulieren, und es beteiligen sich an der Diskussion (per Kommentar) normalerweise auch nur die, welche das Thema auch interessiert. Natürlich ist die Reichweite wesentlich kleiner, aber um die geht es mir auch gar nicht primär.
Anderen ihre Rollenspielkompetenzen abzusprechen ist natürlich Unfug und zeugt eher von psychologischen Defiziten. Ich bin davon überzeugt, dass man auch ohne jede theoretische Fundierung einE sehr „kompetenteR“ RollenspielerIn sein kann. Und solange man in einer stabilen und befriedigenden Personal- und Systemkonstellation spielt, gibt es natürlich keinen Handlungsbedarf.
Rollenspieltheoretische Überlegungen zu Regelmechaniken finde ich spätestens dann relevant, wenn es um Hausregeln geht – und über die sollten sich mAn viel mehr Leute Gedanken machen, damit sie ihre Systeme besser an ihre individuellen Geschmäcker anpassen können.
Eine Reunion von Sphärengeflüster ist leider auf absehbare eher unwahrscheinlich, da Christoph und wir beiden anderen inzwischen ziemlich weit auseinander wohnen.
Mögliche akustische Nachfolgeprojekte kann man nie ausschließen, sind momentan aber nicht prioritär bei uns – aus den gleichen Gründen, die du für deine Zeit vor zehn Jahren genannt hast. 🙂
Dann wünsche ich dir eine spannende Zeit. Die Vaterrolle ist bis jetzt die interessanteste, die ich je übernommen habe.
Besten Dank – die Große wird demnächst 5, dementsprechen haben wir einiges vom Härtesten schon durch; ansonsten stimme ich dir zu.
Aber „mögest du in interessanten Zeiten leben!“… 😀
Danke für das Interview.
Ich habe Sphärengeflüster damals als einen der ersten Podcast der pnp Szene gehört. Mehrmals, immer wieder.
Danach dachte ich, dass ich selbst sowas machen will
Meine Gedanken zur RspTheorie findet der geneigte Zuhörer als Wintersturm mit dem Donnerhaus
Hallo Frosty – danke für das Lob! Den Wintersturm habe ich erst vor gar nicht so langer Zeit entdeckt, höre ihn inzwischen aber sehr gern und halte ihn auch für einen der anspruchsvolleren in unserer deutschen Blase. Freue mich darauf, mehr von euch zu höen!
Danke für das tolle Lob. Das ehrt uns sehr und trage ich auch weiter an die anderen
Ohne allzusehr über die Forge ablästern zu wollen:
Außer einigen kleineren Achtungserfolgen der Indie-Szene kam dabei nicht viel herum – und ich habe das damals live verfolgt. Der allergrößte Teil war prätentiöses Geschwafel ohne jeden Mehrwert.
Natürlich kann man sich zum Sieger erklären und postulieren, man habe die gesamte Rollenspielszene für alle Zeiten geprägt. Da muss dann aber auch nicht jeder mitgehen 😉
Warum die „großen“ Theorien nach mehreren Durchgängen (die Forge war ja beileibe nicht der erste Versuch, ist aber auch wie die Vorgänger letztlich nicht über die Erkenntnis hinausgekommen, dass es verschiedene Spielertypen, Spaßquellen und Spielziele gibt) gefühlt verschwunden sind, hat meiner Einschätzung nach einen sehr positiven Hintergrund:
Noch nie gab es so leicht zugängliche, vernünftige und praxisorientierte Tipps rund um das Thema Rollenspiel.
Da kommen die PS auf die Straße und wenn einem dort geholfen wird (so gut es eben geht), dann fragt natürlich auch keiner mehr nach der großen Weltformel.
Sowohl Problemanalysen wie auch Designbetrachtungen müssen mMn von unten nach oben erfolgen, also aus der Praxis für die Praxis.
Wenn man dann noch meint, das Feld Rollenspiel soziologisch, literaturwissenschaftlich usw. erfassen zu müssen, kann man das in den jeweiligen Fachgebieten tun; den Spieltischen wird das aber wenig bringen.
Mit meiner Theorie des Vorstellungsraums versuche ich genau das zu machen: unten anfangen, und zwar mit möglichst präziser Gegenstandsbestimmung.
Der allgemeinen Rollenspielforschung stehe ich auch skelptisch gegenüber – das Thema kam im Podcast ja gar nicht zur Sprache, evtl. schreibe ich da demnächst mal einen Artikel dazu. Ich finde auch, dass das meiste, was in Einzelwissenschaften über Rollenspiel pubiliziert wird, sehr wenig bis gar keinen praktischen Gehalt für Rollenspiel als Rollenspiel hat.
Ausnahmen gibt es vor allem da, wo das Thema gar nicht explizit Rollenspiel ist, z.B. gibt es einen ziemlichen Kracher von einem Game-Design-Artikel, in dem die verschiedenen „kinds of fun“ bei PC-Spielen seziert werden – sehr kurz und sehr knackig, aber praktisch 1:1 auf Rollenspiel übertragbar, und wesentlich präziser als Laws Spielertypen. Dazu möchte ich auch noch was schreiben… 🙄
Oder eben da, wo sich z.B. ein begriffliches Instrumentarium zur Beschreibung von rollenspielspezifischen Entitäten und Prozessen übertragen lässt, wie ich es hier: https://rpgnosis.wordpress.com/2021/05/21/der-vorstellungsraum-3-2-erzahltheorie-und-rollenspiel/ mit der Narratologie versucht habe. Aber das ist in meinen Augen eher die Ausnahme.
Wie vermutlich recht allgemein bekannt, begeistert mich die Rollenspieltheorie sehr. Ich befasse ich sowohl aktiv, als auch passiv damit. Was ich ein Stück weit bedauere, denn in einer besseren Welt wäre ich als Chemiker dafür gar nicht qualifiziert. Aber leider steckt die Rollenspieltheorie noch in ihren Kinderschuhen, sodass wenig Fachwissen existiert.
Ich teile auch Andreas‘ Vergleich mit der griechischen Philosophie: Wir sind leider noch in einer Epoche, in der primär diskutiert wird, anstatt solide Empirie als Grundlage zu haben. Gerade die empirische Psychologie und Soziologie hätte ich hier wirklich gerne an Bord.
Dieser Mangel liegt einerseits daran, wie klein und wenig finanzstark die Szene ist. Andererseits ist die Szene aber auch wenig selbst schuld. Denn es gibt in angrenzenden Feldern durchaus Forschungsergebnisse, welche übertragbar wären, aber die Rollenspieltheorie ist leider sehr wenig interdisziplinär aufgestellt. Bspw. sollte jeder, der ein Rollenspielsystem schreibt, das Auswahlparadoxon kennen.
Die axiomatischen Setzungen der RSP-Theorie sind daher oft wenig unterfüttert. Bspw. ist die oft betonte Unterschied zwischen Simulationismus nach GNS und der typischen Deutung des Begriffs weitestgehend abwesend, wenn man ihn neurologisch betrachtet.
Dennoch halte ich die Rollenspieltheorie für sowohl interessant, als auch wertvoll. Man kann damit sein Spiel verbessern, was ich aktiv verfolge. Und sie liefert Vokabular, um sich über Wünsche und Vorlieben auszutauschen.
Mehr Rollenspieltheorie in den Fanzines finde ich sehr schön. Mehr noch würde ich mir aber Konferenzen wünschen. Der Nordcon ist/war sehr stark in diesem Feld und wenn man ein deutsches Rollenspielseminar ins Leben rufen könnte, wäre ich sofort dabei – sowohl als Referent, als auch als Zuhörer.
Entgrenzte Konferenzen und fortwährende Symposien sind natürlich auch irgendwie wie gemacht für das Medium „Podcast“, wenn ich so darüber nachdenke. 🙂
Damit hat sich der Eskapodcast jetzt natürlich freiwillig gemeldet, die digitale Konferenz „Erstes deutsches Rollenspielseminar“ auszurichten. Wann geht der Call for Speakers raus?
Ich dachte, wir machen das schon die ganze Zeit! 🙂
Ne, klar, ging mir auch durch den Kopf. Demnöchst gibts eventuell mal eine Umstellung des Formats, da wäre eine Rubrik Rollenspieltheorie ja geboten. Ich nehme dich gerne mal mit in den Cast.
Für meine Eskapodcast-Pflichten bin ich immer bereit.
*salutiert*
*im Hintergrund läuft die Filmmusik von „der Hauptmann von Köpenick“*
Kleine technische Anmerkung. Andreas Tonspur schien deutlich leiser als die von Martin. Das mag auch durch die Stimmfrequenz entstanden sein, ist aber sehr lästig.
Ja, danke für die Rückmeldung und sorry dafür. Die Technik bei den Interviews ist immer eine Sache für sich. Wir hatten, wie du weißt, aber auch schon hier und da extremere technische Probleme. 🙂
Ein Andreas,d er über Rollenspieltheorie redet, ich dachte erst „aber ich war doch noch nie in einem Podcast“ 🙂
Als jemand der selbst auf Cons und im Internet über RPG Theory spricht, fand ich diesen Podcast hoch spannend!
Und ich habe wieder etwas dazu gelernt.
Das freut mich. Ich lerne auch laufend dazu. 🙂