Folge 103 – Von Labertüten und Würfelfuzzis

Ein schwer zu fassendes Mysterium des Rollenspiels besteht darin, dass es sein Schisma zum Prinzip erhoben hat: Reden und Würfeln sind Gegensätzlichkeiten und doch als eherne Grundprinzipien unzertrennlich vereint. Wir sezieren das Herz des Hobbys.

Cast: Martin, Holger, Tanja, Carsten, Dominik Länge: 46:52

Inhalt:
01:44 wundgewürfelte Hände, verkrustete Ohren: Folgeschäden jahrelangen Rollenspiels
10:47 Rollenspiel als Würfel-Sprech-Spiel: schöne Schneeflocke oder grässlicher Mutant?
15:57 zwischen Descent und HeroQuest: Zählen Skirmisher als Rollenspiele?
19:34 zwischen Dungeon und Schwert-Shop: Spielen Oldschooler überhaupt Rollenspiel?
23:06 noch Gas oder schon Kondensat: Experimentelles und stabilisierte Formen im RPG
34:27 stapelweise Kampfregeln als Dauerbegleiter des Hobbys: Anker oder Blinddarm?
40:26 Das Schisma des Rollenspiels verlangt nach inquisitorischer Läuterung!
44:14 Labertüten und Würfelfuzzis – in Hass vereint am selben Wohnzimmertisch!

Geschenkaktion: Loote den Eskapodcast! (detaillierte Teilnahmeregeln)
Geschenke: 13th Age Grundregelwerk
Mäzenatin: Tanja (Emporion of Games)
Beantworte in den Kommentaren bis zum 30.09.2018, 24 Uhr, die folgende Frage: „Welchen Stellenwert hat für dich die Würflerei beim Rollenspiel? Wie stellst du Würfelspieler und Sprechspieler gleichermaßen zufrieden?“

Links:
This is Spinal Tap: Spinal Tap goes to 11
Gamesciene / Lou Zocchi
Würfel im Würfel
Eskapodcast – Folge 80: Death, Frost, Doom
Wahrscheinlichkeiten bei explodierenden Würfeln
Chainmail
Talisman (Brettspiel)
Eskapodcast – Folge 17: Brettspiele mit Spielleiter
Werwölfe von Düsterwald (Party Game)
Eskapodcast – Folge 81: Die endgültige Dungeon – Packliste
Wushu GRW

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27 Gedanken zu „Folge 103 – Von Labertüten und Würfelfuzzis

  1. Hi zusammen,

    vielen Dank für die Folge, bei der ich mich an vielen Stellen wiedergefunden habe.

    Als Spieler macht es mir tatsächlich großen Spaß die mühsam erworbenen Fertigkeiten und die sorgsam durchdachten Ausrüstungskombinationen dem knallharten Würfelcheck zu unterziehen. Würfeln kann zudem Momente kreieren, die das Rollenspiel vorangebracht haben und die es nicht geben würde, wenn man immer nur die wahrscheinlichsten Momente zulässt. Ich denke da gern an das schier unmögliche Ausweichen eines Haiangriffs, Verfolgungsjagden aber auch die unerwartete Konfrontation mit Krankheiten zurück.

    Als Spielleiter lasse ich gern mal würfeln, um den verschiedenen Charakteren ihre Spotlights zu geben – ginge natürlich auch erzählerisch. Hier gibt es in unserer Runde aber auch eine klare Erwartungshaltung der Spieler. Erzählen ist toll aber nach dem halben Abend wird schon mit den Würfeln gescharrt.

    Frustrierend finde ich größere Kämpfe bei denen man sich irgendwann aus Zeitgründen nur noch Manöver, Erfolge und Schadenszahlen an den Kopf wirft während alle auf ihrem Block mit „World of Buerocracy“ beschäftigt sind. Dann lieber denkwürdige Beschreibungen die nicht 100% durch Regeln und Würfel gedeckt sind. So lange niemand zu krasses power gaming daraus macht ein großer Gewinn.

    Interessante NSC, Plots und die Möglichkeit Entscheidungen mit relevanten Konsequenzen zu treffen, sprechen bei mir die Storyspieler sehr an. Handlungsoptionen die nur möglich sind, wenn Proben gelingen und die nicht zu einfach sind die Würfelspieler.

    Beste Grüße,
    Robert

    • Die ganze Würfelorgie hängt ja doch stark vom gespielten System ab. Ein cinematisch gestalteter Kampf in einem reinrassigem Erzählspiel erfordert natürlich deutlich weniger Würfelei als ein taktischer Kampf in einem entsprechendem System.

      Persönlich bevorzuge ich etwas weniger Würfeleinsatz. Und wenn sie schließlich über den Tisch rollen, sollte dafür auch eine Notwendigkeit bestehen – dann bleibt es auch spannend. Aber im Podcast wurde ja schon ein Problem in entsprechenden Systemen angesprochen: Was ist z. B. mit dem Spieler der real nicht so gut Feilschen kann, aber auch mal einen Charakter mit solchen Fähigkeiten spielen möchte? Verbieten möchte ich ihm das dann bestimmt nicht, das wäre meiner Meinung nach der absolut falsche Weg. Daher: Ausspielen ja, aber am Schluss folgt dann eben noch ein Würfelwurf. Allgemein sollten Spieler nicht dafür bestraft werden, wenn sie ihre mühsam verdiente Erfahrung in entsprechende Fähigkeiten investieren, indem diese dann nicht genutzt werden weil man sie ja ausspielen kann. Für mich zählt also die möglichst ausbalancierte und auf die Präferenzen der Gruppe ausgerichtete Kombination aus Würfeln und Ausspielen. Und falls es mit der Gruppe passt und das System es zulässt gerne weniger Würfel.

      Allerdings: In Spielen wie z. B. „Kobolde fressen Babys“ ist die ganze Würfelei Pflicht und möglichst häufig einzusetzen, da dadurch haarsträubende Situationen und jede Menge Klamauk entstehen, die solchen „Bier & Bretzel“ Rollenspielen erst ihre Würze verleihen.

      • Ich finde, Robert hat die Sachlage sehr gut auf den Punkt gebracht: Entscheidungswürfe geben dem Spiel die Würze und führen mitunter zu sehr denkwürdigen Ereignissen. Aber für die Stimmung und die Immersion in der Spielwelt ist das Erzählen ebenso bedeutsam!
        Wieder eine schöne Folge, wenn auch nicht viel Neues!

  2. Für mich hat Würfeln insgesamt einen hohen Stellenwert. Ich würfele gerne. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich unbedingt oft würfeln muss. Schon gar nicht, wenn es völlig egal ist was rauskommt, oder die Chance zu scheitern ungefähr 3% beträgt. Wenn die Würfel rollen, dann will ich Drama. Wie bei einem Film. Wenn Aragorn gegen einen einzigen Ork-Statisten kämpft, dann weiß jeder wie das ausgeht. Wenn er sich aber dem Troll zum Kampf steht, dann ist der Ausgang (theoretisch) offen. Zeit für den Würfel.
    Würfelspieler und Sprechspieler. Auch ne nette Einteilung.
    Unterschiedliche Interessen können nur durch unterschiedlich fokussierte Szenen bedient werden. Wenn die Bande soziopahtischer Massenmörder sich ins nächste Gemetzel stürzt, dann ist für mich und meinen Barden erst mal Langeweile angesagt. Kein Vertun. Einzelheiten dazu habe ich einer meiner letzten Kolumnen ausgeführt.

  3. Würfelei ist für mich nicht so wichtig, allerdings möchte ich schon, dass die Werte des Charakters sich auf die Darstellung auswirken. Wenn die Figur keine Ahnung von höfischer Etiquette besitzt sollte sie entsprechend auftreten.
    Ich leite auch in Schülergruppen, da geht es ohne wilde Kämpfe natürlich nicht. Da passe ich mich an.

    Die Timestories sind ein Brettspiel, welches man auch hervorragend als Rollenspiel erleben kann. Da gibt es für Würfler und Redner sehr viele Möglichkeiten.

      • Was genau findest du interessant?
        Das liegt meiner Meinung nach am Alter. Ich beobachte das Gleiche beim LARP. Junge Spieler wollen gerne ihre Latexwaffen testen und die älteren versuchen sich eher mit politischen Intriegen. Der Geschmack wandelt sich im Laufe der Zeit. Die Würfelkampforgien mit 16 reizen mich heute gar nicht mehr. Wobei ich damals viel Spaß hatte. Aber der Geschmack wandelt sich.

        • Du kennst vermutlich die Theorie, der individuellen Entwicklung eines Rollenspielers. Er startet als Schlächter und reift dann zum kompetenten Darsteller. Der hiesige Cast würde sagen man reift vom Würfelspieler zum Sprechspieler. Martin macht eine ähnliche Bemerkung gegen Ende des Podcasts. Und dort erfolgt auch gleich der übliche Reflex. Jede Unterstellung oder auch nur Andeutung eine Art von Rollenspiel sei in irgendeiner Form reifer, erwachsener oder gar besser als eine andere, ist in der Szene geächtet.
          In sofern finde ich deine Beobachtung wenig überraschend, aber ungewöhnlich, dass das jemand öffentlich sagt. Andererseits, wenn der Host so eine Steilvorlage macht.

          • Alle Rollenspieltheorien, die ich abseits des Psychologiestudiums gelesen habe, waren ganz großer Käse. Und sehr häufig von Leuten verfasst, die eher studienrelevante Theorien hätten erarbeitet sollen um endlich die Hochschule mit Abschluss verlassen zu können. Warum sollte man so etwas nicht öffentlich sagen? Wen interessiert, was „die Szene“, was auch immer das sein sollte, für Befindlichkeiten dazu haben könnte? Eine allgemeingültige Wertung nehme ich ja gar nicht vor. Der Cast möchte sich seine Hörer erhalten und bestimmt auch keine Trolldiskussionen moderieren und wertet deshalb auch nicht. Und warum auch? Jeder soll spielen, was ihn glücklich macht.

          • Interessante Diskussion von Euch beiden! Könnt ihr vielleicht einen Verweis nennen für die Theorie der individuellen Entwicklung eines Rollenspielers? Das habe ich jedenfalls bei mir selbst sehr stark erlebt und auch schon bei anderen beobachtet. Und gibt es denn Rollenspieltheorien im Psychologiestudium? 🙂

          • Rollenspiel ist eine Möglichkeit einen weiteren Lernkanal von Kindern anzusprechen. Die Kinder setzen sich spielerisch mit einem Problem auseinander und versuchen eine Lösung zu erarbeiten oder einen Transfer zu leisten. Ich habe gerade keine Lust genaue Quellen rauszusuchen, aber ich bin mir sicher, dass dies bei Klafki und Co zu finden ist.

  4. Hallo zusammen,

    heute – wie eigentlich immer wieder – eine sehr interessante Folge. 🙂

    Ihr hattet es als Tip in de Folge schon angesprochen: was sehr hilft eine gute Stimmung am Spieltisch zu haben, ist die die Gruppe passend zusammen zu stellen.

    Um eure Frage zu beantworten: Ich sehe mich eigentlich eher mehr in Richtung des Sprechspielers. Weniger würfeln, dann aber bitte mit Signifikanz: Kein Würfeln ob der Charakter das Abenessen vernünftig zubereitet hat – außer er/sie will den Geschmack des Wahrheitsserums überdecken um später Professor Smith die Geheimnisse über den Kult im Sumpf zu entlocken.
    Und kein Würfeln ohne negative Folge im Falle des Scheitern: Die Verfolger holen auf weil Cylla ihr Pferd nicht im vollen Gallop halten kann.
    Wenn ein Wurf umbedingt geschafft werden sollte um essentielle Plotteile zu erkennen und damit den Erfolg „alternativlos“ zu machen deutet auf eine Schwäche im Plot hin. – Mehr Mut zur Lücke bzw. Improvisation, da entstehen meistens die besten Szenen.

    Bei Kämpfen bevorzuge ich es, wenn es schnell geht. Stundenlange Kämpfe können gut sein (zB. als Finale des Abenteuers). Aber das bevorzuge ich, wenn es seltener vorkommt. 7te See, Savage Worlds und andere haben da zB den guten Ansatz mit den Schergen die nach einem Treffer ausgeschaltet sind und den „richtigen“ Gegnern auf Spielercharakterniveau.

    Aber manchmal, nur manchmal mag ich es auch richtig taktisch mit Battlemap etc. Das oft gescholtene DnD4 hat das gut umgesetzt. Pathfinder soll das ebenfalls gut umsetzen (noch nicht selbst gespielt). Wobei ich dafür dann auch gerne zur Brettspielalternative aka Descent, Myth, HeroQuest und ähnliche greife. Da gilt aber ebenfalls: bitte mit den passenden Spielern spielen.

    Zum würfelfreien Spiel:
    Engel mit Arcana-Karten hat mir immer gut gefallen, wobei man da in Kämpfen maximal 3 Karten ziehen sollte. Sonst kann man ja auch wieder zur d20-Variante greifen.

  5. Die Fragen:
    Ich lassen als SL viel würfeln. Wir spielen ein System mit vielen Skills und Ausweichmechabismen um Fertigkeiten zu repräsentieren.
    „Egal“ wie der SC schauspielerisch spielt, sollte er würfeln, um den Bezug zur Figur herzustellen. Außerdem würfeln wir gerne ….
    Das „Spiel oder ein Plan“ geben bei mir immer Boni oder Mali. Das Würfelergebnis gibt mir als immer einen Eindruck, wie gut dem SC oder NSC etwas gelungen ist.

    Wie stelle ich beide Parteien zufrieden?
    Das ist eine gute Frage……

  6. Würfeln ist nicht so objektiv, wie man vielleicht denken könnte – dadurch dass der Würfelwurf in den ganzen Rahmen eingebettet ist, kann er praktisch alles bedeuten.

    Normalerweise ist die Frage, ob gewürfelt wird und ob das Ergebnis dann zu weiteren Würfen führt, oder zu Nachteilen in der Spielwelt, oder dem Verlust von Meta-Ressourcen (TP etc.) oder gar zum Spielende für einen oder mehrere Spieler…normalerweise ist das etwas, was weder durch die Regeln, noch durch die Spielwelt, vorgegeben ist, sondern allein durch die Konventionen, welche die Gruppe für sich etabliert hat.

    Man kann also nicht in eine neue Runde kommen und (objektiv) „wissen“, wie da der Hase läuft – das ist etwas, worein man sich (subjektiv) einfühlen muss (und manchmal ändern sich auch die Gruppenkonventionen, wenn ein neuer Spieler dazukommt).

  7. Hallo zusammen,

    noch eine ergänzende Frage bezüglich sozialen Konflikten im Spiel:

    Ausspielen und dann würfeln
    oder
    Würfeln und das Würfelergebnis dann ausspielen?

    Viele Grüße
    Thomas

    • Ganz schwierig.

      Vom Kopf her sehe ich all die Vorteile, dass man erst würfelt und dann ausspielt.
      Aber vom Gefühl finde es besser gar nicht zu würfeln sondern nur zu reden.
      Und wirklich nur im Zweifelsfall zu würfeln.

      Das heißt, erst würfeln und dann reden gefällt mir gar nicht. Und Ja: Das ist ungerecht und benachteiligt stille Spieler und bevorzugt eloquente Spieler. Und führt zu Ungleichgewicht bezüglich XP-Punkten in Sozialtalenten. Und führt zu schrägen Situation, wenn der Würfelwurf anders ist als der mündliche Vortrag.

      Aber dennoch…

      Das gleiche gilt übrigens beim Punkt, ob man vor einem Kampf erst Kriegskunst würfeln sollte und danach das Kampfverhalten und die Taktik anpassen muss.

      • Aber dient das Würfeln dann nicht dazu, Talente die der Charakter aber nicht der Spieler hat umzusetzen? Ich habe keine Ahnung wie man ein Flugzeug fliegt, aber Captain Lou hat darin einen Wert von X-Punkten. Da würde man doch bei speziellen/schwierigen Flugmanövern auch würfeln. Wie Du schon schreibst benachteiligst Du stille Spieler bzw. Charaktere die XP für „Diskussions-„Talente ausgeben.

        • Ebenfalls eine interessante Diskussion hier! Ich kenne es vor allem aus Cthluhu, dass man erst würfelt und dann ausspielt und zwar beim Verlust von geistiger Stabilität (Würfeln) und die damit verbundenen traumatischen Auswirkungen (Ausspielen). Das ist zwar kein sozialer Konflikt, geht aber in die gleiche Richtung der zweiten Option. Ich denke die meisten werden erst Ausspielen und dann Würfeln. Die Idee hier auch mal die Reihenfolge zu ändern finde ich zumindest reizvoll und will das mal direkt ausprobieren.

  8. Nicht nur bei Sozialgedöns, sondern für mich immer:

    Erst würfeln, dann ausspielen – bzw. „nur“ das Vorgehen u.Ä. bis genau zu dem Punkt beschreiben, wo der Würfel einsetzt.
    Sonst bringe ich gefühlt schon fertige Fakten ein, die kurz danach wieder entwertet werden – dabei waren es ja vorm Würfeln erst mal nur Absichtserklärungen oder Wunschvorstellungen.
    Also wenn überhaupt, dann „Vorbereitend beschreiben, würfeln, Ergebnis/Verlauf beschreiben“.
    Aber erst ausufernd beschreiben und dann würfeln, ob das schon fertig Beschriebene auch wirklich so eintritt – das funktioniert nicht.

    Allgemein zum Thema:
    – Ich lasse als SL nur würfeln, wenn ich a) bereit bin, alle möglichen Ergebnisse hinzunehmen und b) der Meinung bin, dass ein Wurf irgendeinen interessanten Verlauf generieren kann.
    Sofern alle (also auch ich als SL 😉 ) mit einer reinen Beschreibung und dem erzählten Verlauf zufrieden sind, ihren Spaß haben und der Spielfluss da ist – welchen Mehrwert liefert mir da der Würfel?

    – Jeder Spieler hat bei mir immer das Recht, auf alles Gelaber und Beschreiben zu verzichten und allein auf Werte und Würfel zu vertrauen. Im Umkehrschluss will ich dann auch keine fein modellierten Boni für gute Beschreibungen, Ideen und sonstige Sachen vergeben, die letztlich nur am Tisch zwischen SL und Spieler stattfinden und die Charakterebene fast gar nicht berühren.
    Das ist nicht immer leicht abzugrenzen von notwendigen Richtungsentscheidungen, aber im Großen und Ganzen funktioniert das für mich.

    – In umgekehrter Richtung fällt es mir schwer, einem klaren Prinzip zu folgen. Da bin ich nach wie vor auf meine Intuition angewiesen, ob die aktiven Spieler gerade damit einverstanden sind oder gar darauf abzielen, eine Situation ganz ohne Würfeln zu bewältigen.
    Als SL kann mir das im Grunde ja egal sein, solange die Spieler ihren Spaß daran haben – trotzdem gibt es Momente, wo es für mich so sehr auf konkrete SC-Fähigkeiten ankommt, dass ich mindestens ergänzend würfeln lasse.

    Zum Thema zeitliche Kampfstreckung durch Würfeln:
    Das hängt komplett vom System ab.
    Zwei gut gerüstete, hochstufige DSA3-Charaktere müssen gefühlt unendlich lange aufeinander einschlagen, aber zwei krasse Pendragon-Ritter führen in 2-3 Runden ein Ergebnis herbei – mit hohen Werten sogar schneller als Anfänger oder mittelgute Kämpfer.
    Eben deswegen, weil Pendragon konstruktionsbedingt in jeder Runde einen Wirkungstreffer ausspuckt (!) und darunter alle nicht erfolgreichen Angriffe usw. subsummiert werden.
    Da liefert das Kampfsystem eben keinen chronologischen Verlauf, sondern hüpft von einem möglicherweise entscheidenden Punkt zum Nächsten, ohne sich mit dem ganzen folgenlosen Kram zu befassen.
    An der Ergebnisbreite ändert das letztlich gar nichts.

  9. Ein schöne Folge, bei der ich mich sehr wiedergefunden habe. 🙂

    In meiner Hauptgruppe haben wir einen Taktiker, zwei Theaterspielerinnen, eine Geschichtenerzählerin, einen Bauerngamer und eine Casual Gamerin. Das klappt, indem man Rücksicht aufeinander nimmt. Wobei der Taktiker es leider schwer hat. Nicht weil wir uns nicht bemühen würden, sondern weil wir einfach keine ebenbürtigen Gegner sind. ^^‘

    Dabei halte ich es für essentiell, dass man das leitet, was die anderen mögen, nicht das was man selbst mag. Jedenfalls, wenn man mit wechselnden Spielleiterinnen spielt.

    Ich schaue dann, dass ich immer wieder Abenteuer und Szenen für jede Spielerin anbiete. Dem Märchenabenteuer folgt ein Dungeoncrawl. Nach einem würfellastigen Kampf wird Zeit eingeplant, um über die ausgelösten Gefühle zu reden. 😛

    Noch eine Rückfrage:
    Was haltet ihr von den moderneren Würfelsystem, bei denen ein oder mehr Würfel auch narrative Bedeutung haben?

    • Zu deiner Rückfrage:
      Ein System, dass das unterstützt habe ich bislang noch nicht gespielt. Kann aber durchaus interessant sein. Die Frage dabei für mich – aus SL-Sicht – ist allerdings, in wieweit ich bereit bin meinen roten Faden in der Geschichte zu verlassen. Als One-Shot gerne. In (Kaufabenteuer-)Kampagnen eher nicht. Bei allem dazwischen würde ich das gerne mal ausprobieren.

      Viele Grüße
      Thomas

    • Danke und schön! @Faras zu Deiner Rückfrage – hast Du vielleicht ein konkretes Beispiel aus einem morderneren System? Als Spielleiter der iszenierte One-Shots liebt, finde ich es generell auch mal eine schöne Abwechslung wenn die Würfel einen größeren Einfluss auf das weitere Abenteuer haben.

  10. Die Spezialwürfel, die ich kenne haben eher kleine Auswirkungen. Also nicht wie Aspekte bei Fate, die massiv eingreifen.

    Beispiel FFG Star Wars: Man würfelt mehrere Würfel und vergleicht bestimmte Symbole.
    Dabei gibt es drei Achsen:
    Erfolg/Fehlschlag: Je nachdem welche Symbole häufiger sind, gibt es einfach an, ob die Probe erfolgreich ist oder nicht.
    Vorteil/Bedrohung: Gibt einen kleinen positiven oder negativen Nebeneffekt.
    Triumph/Verzweiflung: Gibt einen großen positiven oder negativen Nebeneffekt.

    Am wichtigsten ist immer noch der Erfolg der Probe, aber vielleicht positioniert man sich ungünstig, bemerkt etwas, benimmt sich auffällig, macht jemanden Angst, …

    Man bricht also aus dem einfachen Würfeln aus und verändert die Situation leicht.

  11. Die Spannung zwischen Würfelfreunden und Labertüten ist sicher nicht leicht zu minimieren. Meine Lieblingslösung sind Systeme wie Fate, wo das Würfeln dem Labern neue Impulse gibt – und anders herum. Aber natürlich funktioniert das vor allem, weil es die extremen Würfelfreunde und die extremen Würfelablehner abschreckt.
    (Würfel sollte hier als generischer Begriff für jedweden Zufallsmechanismus stehen.)

    Was die Frage angeht, ob Würfeln „objektive“ Ergebnisse liefert, die nicht in der Hand des SLs liegen: Natürlich nicht. Jeder SL kann jeden SC einfach umbringen. Und jeder gute SL kann es auf eine Weise tun, dass der Spieler fest überzeugt ist, selbst schuld zu sein. Man muss ja nur eine lebensgefährliche Situation erzeugen, von der man vorher weiß, dass der Charakter die falsche Entscheidung treffen wird.
    Warum machen wir es dann? Mir scheinen hier zwei Aspekte wichtig zu sein:
    1) Im Spieledesign gibt es den Begriff des „Ego-Schilds“. Das ist ein Zufallsfaktor, dem man die Schuld geben kann, damit man nicht zugeben muss, ein schlechter Spieler zu sein. „Die Siedler von Catan“ ist hier ein schönes Beispiel: Das Würfelglück spielt tatsächlich eine geringe Rolle, aber man kann trotzdem den Würfeln die Schuld geben. Ein Gegenbeispiel wäre „Diplomacy“, wo es keinen Zufall gibt, der am eigenen Versagen beteiligt sein könnte, und es entsprechend rau zugeht.
    Analog dazu verhindern die Würfel im Rollenspiel, dass alle Schuld dem SL gegeben wird.
    2) Es ist für alle Beteiligten spannender, wenn es einen Zufallsfaktor gibt. Er sorgt dafür, dass nicht alles auf den eingefahrenen Wegen des SLs läuft. Er erzeugt Spannung. Und er bedeutet, dass der Spielleiter die Handlung nicht schon vorher kennt –was eher langweilig für ihn wäre.

    Eure Folge brachte mich übrigens noch auf eine gewagte These, die ich nicht untersuchen kann (weil das empirische Psychologie erfordern würde):
    Kann es sein, das die Spaltung zwischen Würfeln und Labern häufig ein Resultat davon ist, dass unsere Kultur immer noch sehr von einer Vorstellung von Körper-Geist-Dualismus geprägt ist?
    Viele Westliche erwarten, dass körperliche Dinge stringenten, newtonischen Regeln folgen, geistige Dinge dagegen ungreifbar und vage sind. (Beide Positionen sind falsch, aber das hindert ja keinen.)
    Nur so eine Idee. Sollte nicht zu ernst genommen werden, weil ich keinerlei Belege vorbringen kann.

    PS: Die Herkunft des Rollenspiels aus Chainmail ist übrigens sehr gewagt. Die allermeisten Leute, die D&D damals kauften, hatten gar kein Chainmail. Rollenspiel, wie wir es kennen, erwuchs unter anderen aus dieser Unvollständigkeit der Regeln.
    Wenn das aktuelle „Handbücher der Drachen II“-Crowdfunding genügend Bonusziele schafft, werde ich darauf in einem Artikel noch genauer eingehen.

    • Hallo Lichtbringer, da sind aber wieder viele interessante Sachen in deinem Kommentar. Was mir so dazu einfällt:

      Körper-Geist-Dualismus ist mMn passé, heute haben wir vielleicht eher einen (klanglich ähnlichen) Gegensatz zwischen Dinglichkeit und Virtualität. Ob das jetzt signifikant bis aufs Rollenspiel durchschlägt, jenseits der Tatsache, dass fast jeder aus irrationalen Gründen die PDFs hasst, das weiß ich nicht.

      Ich finde das super, dass du das mit dem Chainmail gesagt hast, denn einerseits ist Chainmail selbstverständlich eine relevante Perle in der Perlenschnur der Rollenspielgeschichte. Andererseits hast du aber sicherlich völlig recht, dass das jetzt sicherlich nicht durch seinen Bekanntheitsgrad gewirkt hat.

      Auf deinen Artikel bin ich sehr gespannt!

      • Körper-Geist-Dualismus ist zumindest wissenschaftlich gesehen nicht haltbar. Aber ich wäre mir nicht so sicher, ob das wirklich dem Gros der Gesellschaft klar ist.
        Außerdem haben solche Ideen ja oft noch ihre Atavismen in der heutigen Zeit. Wir sprechen ja auch noch vom Sonnenauf und -untergang, obwohl wir alle wissen sollten, dass es die Erde ist, die sich dreht.

        Ob der Artikel zustande kommt, steht noch in den Sternen. Hoffentlich finden sich noch viele Unterstützer.

        Mein im Eskapodcast öfter erwähnte SL-Schirm wird übrigens auch Teil des Projekts sein.

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