Folge 48 – Hadmar von Wieser III: Von der Zukunft des Rollenspiels (Interview)

Im Finale unseres Monumentalinterviews wirft Hadmar von Wieser für uns einen Blick aufs große Ganze: Welche neuen Entwicklungen sollte man im Auge behalten? Löst sich das Rollenspielhobby  in Luft auf oder stehen wir am Beginn einer explosiven Renaissance? Was muss man tun, um zuküftig zur Speerspitze des modernen Rollenspiels zu gehören?

Cast: Martin, Hadmar Länge: 34:50

Inhalt:
00:46 Wie wird man Spieleerfinder? Kann man heutzutage vom Rollenspiel leben?
02:19 Gamedesign studieren und unterrichten: interactive storytelling
05:56 Level-Up in der wirklichen Welt: sich im Rollenspiel echte Fähigkeiten aneignen
08:25 Zeitenwende: wenn die Gamingindustrie Hollywood locker wegschnupft
11:17 LARP-Kurse: pädagogische Rollenspiele, Demokratietraining und die EU
18:03 wenn aus Spaß Ernst wird: serious Gaming
20:53 warum von hunderttausenden Rollenspielern nur noch eine Handvoll übrig ist
26:06 warum Rollenspiel als Spielform nach wie vor unerreichbar gut ist
27:37 Hadmars Praxistipps für den modernen Spielleiter
30:29 Augmentation: Wie wird sich das Rollenspiel in den nächsten Jahren entwickeln?

Links:
Hadmar von Wieser – Interview Teil 1: Vom Morgenrot des Rollenspiels
Hadmar von Wieser – Interview Teil 2: Von der Glanzzeit des Rollenspiels
Leverage
Hollow Point RPGs
Mythodea
Die Spielerzentrale
GTA5 schlägt Avatar
Daedalic
Computerspielwissenschaften FH Bayreuth
Multimedia Art FH Salzburg

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15 Gedanken zu „Folge 48 – Hadmar von Wieser III: Von der Zukunft des Rollenspiels (Interview)

  1. Pingback: Folge 46 – Hadmar von Wieser II: Von der Glanzzeit des Rollenspiels (Interview) | Der Eskapodcast

  2. Pingback: Folge 44 – Hadmar von Wieser: Vom Morgenrot des Rollenspiels (Interview) | Der Eskapodcast

  3. Oh Gott, er hat ja so recht! Neulinge anzuwerben, läuft in der Szene so furchtbar! Was für Entgleisungen ich da schon erleben musste!

    Mal etwas weniger drastisch ausgedacht: Wir müssen einfach viel besser darin werden, Neulinge zu gewinnen. Rollenspiel kann so viel bieten und wir verkaufen es potentiellen Einsteigern oft so schlecht.
    Ich habe als SL immer vorgefertigte SCs mit, mit denen jeder sofort einsteigen kann. Ich habe immer ein Einstiegsabenteuer auf Abruf. Deshalb konnte ich auch schon viele Neulinge gewinnen. Aber ich scheine damit etwas die Ausnahme zu bilden.

    Das Thema verdient durchaus mehrere Eskapodcast-Folgen. Ich kann auch gerne helfen, aber da müssen wir mal drüber reden.

      • Oh, wo fängt man da an? Es ist wahrscheinlich wenig sinnvoll, nur die Entgleisung selbst anzuprangern. Ich werde einfach mal die Punkte, die ich bei der Einsteigerwerbung als höchste Hürden sehe, aufzählen und dann mit einer Entgleisung untermalen. Dieser Beitrag wird also recht lang.

        Zunächst einmal unterschätzen die meisten Rollenspieler, wie extrem verunsichernd komplex und monumental Rollenspielregeln sind und wie abschreckend diese vielen dicken Bücher sind.
        Die meisten Leute kennen Spielregeln, die wenige Seiten lang sind. Ich wollte einmal vergleichen, wie viel länger Rollenspiele als Brettspiele sind. Der Vergleich ist aber so extrem, dass man nichts davon lernt. Deshalb ging ich zu anderen Büchern über. Nur um hier mal ein paar Randdaten zu nennen: Die DSA4-Grundregelwerke haben erheblich mehr Text als die Luther-Bibel (DSA hat also das längere Regelwerk als das Christentum). Selbst wenn man (aus Rollenspielersicht) einfache Regelwerke nimmt: Das Fast!Furious!Fun!-Rollenspiel Savage Worlds hat in der deutschen Ausgabe 352 Seiten, das Grundgesetz für die BRD hat ca. 100 Seiten. (Das Grundregelwerk für SW hat 3,5-mal mehr Seiten als das Grundregelwerk für den bundesdeutschen Staat.)
        Dazu kommen gigantische Mengen als Quellenbüchern, Zusatzbänden, Optionalregeln usw.
        Deshalb sollte man Einsteiger entweder mit leichten Systemen einführen oder es langsam angehen.

        Entgleisung: Wir hatten in unserem Rollenspielverein einmal zufälligen Besuch (die Dame war auf einer Grillfeier in der Nähe und hatte sich verirrt). Sie war recht neugierig und wir konnten sie für die Idee des Rollenspiels schnell begeistern.
        Dann musste einer der Idioten loslegen und erzählen, wie viele DSA-Bücher er besitzt und wie viel man davon lesen könne und wie viele Regeln er kenne. Und sofort war alle Begeisterung tot und war auch nicht wieder zu erwecken, egal wie sehr wir versuchten, diese halbwahre Darstellung zu entschärfen. Ich hätte den Deppen am liebsten geschlagen.

        Ein wenig damit verbunden ist die Überforderung durch zu viele Wahlmöglichkeiten. Irgendwie tangieren wir hier immer wieder Sachen, von denen ich finde, jeder Rollenspieler solle sie kennen (das letzte war die Pam-Krabbé-Rochade). Es gibt ein gutes Buch von Barry Schwartz namens The Paradox of Choice (deutsch: Anleitung zur Unzufriedenheit). Darin zeigt der Autor, wie zu viele Wahlmöglichkeiten Menschen überfordern und mit ihren Entscheidungen unzufrieden macht.
        Das ist eine der Gründe, warum ich immer empfehle, einem Neuling eine Wahl aus drei bis sechs vorgefertigten SCs zu bieten. Die vielen weiteren Optionen bei der Charaktererschaffung verwirren und überfordern nur und sorgen außerdem dafür, dass der Einsteiger mit den Entscheidungen am Ende mit der Wahl unglücklich und verwirrt ist. (Es gibt noch weitere Methoden, diesem Problem zu begegnen, aber dieser Text ist so schon lang genug…)

        Entgleisung dazu: Ich musste einmal miterleben, wie eine arme Anwärterin an einem Nachmittag drei SCs zu unterschiedlichen Systemen erstellte und die alle einmal antesten sollte, damit sie sich ein Bild machen kann. Die kam nie wieder – und zwar zurecht.

        Dass ich dieses Unheil trotz Anwesenheit nicht verhindern konnte, lag daran, dass der Spieler, der sie mitbrachte, gleich die nächste Hürde mitbrachte. Das Hauptziel der Runde muss sein, den Neuling anzuwerben. Dafür müssen sich die anderen Spieler etwas zurücknehmen. Und vor allem sollte das eigentliche Ziel eines Spielers nicht darin liegen, den Neuling flachzulegen!
        Ich will nicht den Unsinn behaupten, Rollenspieler kriegten nie Frauen ab. Zwei Mitglieder meiner Runde sind zusammen und er brachte sie ins Hobby. Aber die Einsteigerrunde muss sich um den Einsteiger drehen und soll nicht der Weg in sein Herz (oder seinen Vaginaltrakt) sein!

        Man kann es mit dem Helfen aber auch übertreiben. Wenn bei jeder Frage sofort alle auf den armen Neuling einreden, dann ist das keine echte Hilfe. Der Neuling sollte für die meisten Fragen einen spezifischen Ansprechpartner haben – am besten seinen Sitznachbarn oder den SL.

        Entgleisungen: Zu viele, um eine rauszusuchen. Kommt ständig vor.

        Noch eine indirekte Entgleisung: Wie vielen Rollenspielern nicht klar ist, dass es wichtig ist, dass es deutsche Übersetzungen gibt… Wenn man alles auf Englisch kauft und einen keinen Markt für deutsche Versionen gibt, darf man sich nicht wundern, dass Jugendliche keine 400 Seiten auf Englisch lesen.

  4. Vielen Dank an Hadmar und Martin für drei wirklich spannende Interviewfolgen! Es sind diese Einblicke die den Eskapodcast von den anderen deutschen RPG-Podcasts abheben!

    Interessant fand ich vor allen Dingen auch die Einblicke in den Bereich Gamedesign und die Verbindung zu den pädagogischen Rollenspielen. Vielleicht wären derartige Entwicklungen an sich auch mal ein guter Gesprächsstoff für eine ganze Folge. Denn auch wenn das Rollenspiel im klassischen Sinne nicht mehr das Publikum hat, das es mal hatte, scheinen derartige Entwicklungen die RPG-Grundsätze ja sehr produktiv fortzuführen und in Bereiche zu tragen, in denen man vor 20 Jahren nie an derartiges gedacht hätte.

    • Ein Grundproblem bei allen Betrachtungen ist und bleibt die Luftigkeit der Zahlen. Ist jetzt jemand, der mit DSA angefangen hat und der dann zu World of Warcraft weitergewandert ist nach wie vor ein Rollenspieler? Oder ist er keiner mehr? Wann ist man überhaupt ein zählbarer Rollenspieler? Wenn man an einer Runde aktiv teilnimmt? Wenn man sich ein Grundregelwerk gekauft hat? Wenn man spielleitert?

      Mein (relativ fundierter) aktueller Stand ist, dass das klassische Pen and Paper Rollenspiel und seine Ziel- und Käufergruppe insgesamt tatsächlich wächst, allerdings auf einem niedrigen Niveau und (zu) langsam. Damit geht es uns immerhin sehr viel besser als anderen Nischenhobbys, wie zum Beispiel der Buntglasmalerei und der Kunst der Kantatenkomposition.

      Vor Zeiten des Internets war die Rollenspielerei eine echte induktive Graswurzel-Sache, basierend auf persönlichen Freundschaften und Mund-zu-Mund-Propaganda. Am schönsten wäre es, wenn die Rollenspieler auf die gleiche Art und Weise wieder mehr Leute ins Hobby bekämen. Wir vom Eskapodcast geben uns alle Mühe, einen kleinen Beitrag zu leisten.

    • Die Folge hat mir von den dreien am besten gefallen. Ich habe mit der Trilogie angefangen, weil ich etwas über das DSA von Wieser erfahren wollte. Doch der Übergang zu Rollenspiel heute und wie er es für politische Experimente benutzt, haben mich dann doch sehr überrascht. Es ist offensichtlich, Rollenspiel auf solche Weise zu nutzen, doch man muss auch darauf kommen und die Plattform finden, es umzusetzen.

  5. Wieder eine sehr schöne Folge.

    Dennoch muss ich Hadmar in zwei Punkten wehement widersprechen.
    Es sind mehr als nur ein paar tausend Rollenspieler übrig, natürlich sind die Zahlen im Vergleich zu den 80ern geschrumpft. Was man aber gerade in Deutschland und den USA beobachten kann, ist ein massiver Anstieg von Spielern, alten Hasen die wieder anfangen und Neulingen die noch nie gespielt haben. Befeuert wird das Ganze durch Shows wie Critical Role und Acquisition Inc., die zeigen was man damit für eine tolle Zeit haben kann.

    Zu meinem zweiten Widerspruch:
    Meiner Meinung nach hat die Technik am Rollenspieltisch sehr wenig verloren.
    Smartphones lenken nur ab und als Meister braucht man auch kein Notebook oder Tablet um sich die wichtigen Dinge zu merken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es einen massiven Unterschied macht, ob der Meister kurz etwas in einem Regelbuch nachschlägt oder auf das Laptop starrt.

    Das sind natürlich nur meine eignen Meinungen und ich bin jederzeit bereit mich eines Besseren belehren zu lassen.

    • Zu der Anzahl an Spielern:
      Schau dir mal bei Google Trends den Suchverlauf zu „The Dark Eye“ an. Gerade eben ist die erfolgreiche Kickstarterkampagne mit fast 150,000€ und gut 1600 Teilnehmern zu Ende gegangen. Sieht doch nach einem Erfolg aus… guckt man bei Google ist es eine gerade Linie bei dem Suchverlauf. Die Suchanfragen gehen, bis auf einen Peak 2009 – vermutlich Drakensang – kontinuierlich runter. Also sieht es nur so aus… Sturm in einem Wasserglas.

      Die Haupt News Seite zu DSA hat bei Facebook gerade mal 1000 (!) Likes und Ulisses als Verlag für Rollenspiele gut 5000 (!) Likes… Davon auf eine feste Spieleranzahl zu schätzen, ist natürlich Mumpitz es gibt einem aber eine Orientierung.

      Wie viele wir schlussendlich sind, ist schwer zu sagen. Aber ich merke, dass mit dem Alter die Anzahl an aktiven Spielern immer mehr zurückgeht. Aus meinem Bekanntenkreis spielt nur noch ein Bruchteil der ehemalig Aktiven. Im Weiteren bin ich bei vielen „Spielervermittlungen“ angemeldet. Früher (~10 Jahre) habe ich bis zu einer Anfrage pro Monat erhalten (DSA) jetzt pendelt das um die Null. Es wird schon merklich weniger…

      Auf Deutschland bezogen würde ich auf einen niedrigen fünfstelligen Bereich tippen.

      Das Spielerverzeichnis ist sehr neu (1 Monat) und hat dementsprechend keine Karteileichen und ne super Karte, wo man die Verteilung der Spieler sieht… ist zu neu um da Schlüsse draus zu ziehen – aber jeder der auf rsp-blogs.de surft hat davon mitbekommen, kennt vermutlich auch nicht jeder, aber auch hier hat man Anhaltspunkte (https://spielerverzeichnis.rpgcharacterdb.de/). Und die Spielerzahlen hauen einem da auch nicht aus den Socken…

      • Schreckse, interessant was Du zu den Zahlen der FB-Gruppen schreibst. Ich möchte da gerne noch ergänzen, dass auf Facebook die Aventurien-Gruppe 3300 Mitglieder hat und das die Das Schwarze Auge-Seite über 10.000 Mitglieder hat (vielleicht hast Du ja auch die Gruppe gemeint und einfach eine Null vergessen ;)). Das ist insofern auch bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die beiden Rollenspielgruppen „Pen&Paper Rollenspiel“ 4300 Mitglieder und „Rollenspieler“ 2600 Mitglieder haben.

        Wenn wir da gerade beim Thema bin – was auch sicher gut zu Hadmars integrativer Einstellung passt – welche wichtigen Rollenspielgruppen auf Facebook gefallen Euch?

  6. Pingback: Aus dem Limbus: Buntes DSA, Hadmar-Interview Teil III & Nostergast im Podcast | Nandurion

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