Folge 47 – Rollenspielerfolg aus dem Handgelenk

Das ganze Leben ist improvisiert! Die Terminkalender sind voll – wer hat schon Zeit zur gründlichen Vorbereitung? Wir spechen über die hohe Kunst, aus dem Stegreif solides Rollenspiel herzustellen. Wie improvisert man NSCs? Wie improvisiert man Plot? Wie strickt man sich eilig eine Spielfigur zusammen, während sie schon mitten im Abenteuer steht und die Orks nur so wegschmettert? Ganz wichtig: Was macht man, wenn einem partout nix einfällt?

Cast: Martin, Holger, Tanja, Gernot Länge: 40:41

Inhalt:
00:46 Der Eskapodcast sucht das Improvisationstalent!
03:26 auf Knopfdruck kreativ sein: Handwerkskunst, Talent oder Selbstbetrug?
05:13 Spieler vs. Spielleiter: Wer zieht sich eigentlich mehr aus dem Hut?
07:02 NSCs, Welten-, Kultur- und Plotversatzstücke: die Evergreens der Improvisation
14:59 „Wie Improvisationstheater dein Rollenspiel bereichern kann“ – Graham Walmsley
21:08 den Stier bei den Hörnern packen: die Spielregeln locker runterimprovisieren
24:20 „Ich hab‘ doch sicher ein Seil dabei, oder?“ – souverän Dinge herbeischwindeln
30:59 Profitipps für Prokrastinierer: komplette Abenteuerplots improvisieren
33:51 mannhaft bleiben am Abgrund: Was macht man, wenn einem rein gar nix einfällt?
35:51 improvisieren innerhalb eines dicht beschriebenen Kanons (Aventurien)

Links:
Lost (Serie)
Eskapodcast – Folge 41: NSCs an den Mann bringen – Lichtbringers Spielleiterschirm
„Improspiel – Wie Improvisationstheater dein Rollenspiel bereichern kann“ – G. Walmsley
Shadowrun – Missionsgenerator (Variante 1)
Shadowrun – Missionsgenerator (Variante 2)
Shadowrun – Missionsgenerator (Variante 3)
Game Mastery Plot Twist Cards

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18 Gedanken zu „Folge 47 – Rollenspielerfolg aus dem Handgelenk

  1. Ich fühle mich mal wieder durch die Erwähnung geehrt.

    Prinzipiell eine sehr wichtige Folge, denn Improvisation ist ohne Frage ein Eckpfeiler des Rollenspiels.

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Einschätzung teilen kann, viel Impro wäre meist humorvoll. Einerseits improvisiere ich fast alles und hatte auch schon sehr dramatische Szenen damit. Andererseits wird in meinem Runden auch viel geblödelt. Hm, wenn ich mir mein das Abenteuer vor Augen führe, mit dem ich Neulinge in Cthulhu einführe… da ist schon recht viel Rahmen gesetzt und ich habe sogar eine 3/4 Seite Notizen (für mich sehr viel).

    Ich empfehle als Impro-Hilfe für Handlungsbögen immer wieder Arkanakarten und Tarotkarten (nicht dasselbe – die einen sieht man bspw. bei Engel, die anderen meinen sowas wie das Waite-Tarot). Durch solche Improvisationshilfen kann man sehr gut Handlungsbögen aus dem Ärmel schütteln.

    Ist Regeln zu improvisieren wirklich so etwas Besonderes? Rollenspielregelwerke sind doch immer auf ad-hoc-Entscheidungen des SLs angewiesen, weil sie nie alle Fälle abdecken können. Und je mehr sie es durch genauere Regeln versuchen, desto mehr Möglichkeiten für Regellückem entstehen. Das ist einfach stumpfe Kombinatorik – mehr Setzungen machen mehr Wechselwirkungen. (Dass man solche Regellücken übrigens nie vermeiden kann, sieht man sehr schön an der Pam-Krabbé-Rochade, wo ein paar Powergamer allen Ernstes eine Regellücke im Schachregelwerk fanden.)

    • Danke abermals für Dein fundiertes Feedback!

      Schönes Beispiel mit der Pam-Krabbé-Rochade – die (einstige) Regellücke kannte ich noch gar nicht, obgleich ich selbst im Verein Schach spiele 🙂

      Kannst Du vielleicht auch ein Beispiel zur Improvisation mit einer Karte aus dem Waite-Tarot sagen?

      • Ich helfe doch gerne. 🙂

        Die Pam-Krabbé-Rochade ist einfach viel zu wenigen bekannt. Ich erwähne sie in jedem zweiten meiner Vorträge über Techniken im Rollenspiel, weil es einfach zeigt, dass jedes hinreichend komplexe Regelwerk solche unerwarteten Effekte zeigen wird. Schach hat sehr viel einfachere Regeln als viele Rollenspiele (sie passen auf wenige A4-Seiten), es wird von viel mehr Leuten gespielt und das teilweise für ziemlich viel Geld. Wenn die Schachregeln trotzdem über Jahrzehnte eine Regellücke enthielten, dann ist niemand davor sicher. Ende der Debatte. 😎

        Impro mit Tarot-Karten: Da ich nichts über die hypothetische Gruppe weiß, wird das jetzt sehr generisch.

        Ich habe mal zufällig (random.org) drei Karten ausgewählt. Es wurden die Welt (https://en.wikipedia.org/wiki/File:RWS_Tarot_21_World.jpg), der Page der Kelche (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Cups11.jpg) und die Hohepriesterin (https://en.wikipedia.org/wiki/File:RWS_Tarot_02_High_Priestess.jpg).

        Die vier Figuren an den Rändern der Welt assoziiere ich mit den Charaktereigenschaften aus der antiken Philosophie. Es soll also um eine Art Charakterprüfung gehen.

        Beim Pagen der Kelche bin ich weniger abstrakt. Es transportiert etwas. Also sollen die SCs etwas transportieren, was für sie ein moralisches Dilemma darstellt. Vielleicht ist der Gegenstand aktuell hilfreich für sie, aber auch sehr gefährlich. Vielleicht sehen auch einige der Charaktere ihn als gut, wogegen die Religion anderer ihn als Sakrileg sieht. Wie werden sie Zweck und Mittel abwägen?
        Oder es handelt sich um eine Person – ein Kind, das sie geleiten müssen, von dem sie aber erfahren (z. B. Vision), dass es später vielleicht großes Unheil anrichten wird. Bringen sie ein wehrloses Kind um, um Schlimmes zu verhindern?

        Zum Schluss die Hohepriesterin, die Mächtige zwischen der schwarzen und der weißen Säule. Eine mächtige Person verfolgt die Entwicklung. Man könnte den Abraham-Isak-Weg gehen: Die Person hat den SCs diesen Auftrag überhaupt nur gegeben, um sie zu prüfen. Womöglich sucht sie aufrechte Leute für ihre wichtigen Ziele.
        Vielleicht sind die Hinweise aus die Gefährlichkeit aber auch gar nicht echt und der Mächtige will wissen, wie leicht er die SCs manipulieren kann. Oder (wenn wir vom Kind ausgehen) wollte er dieses loswerden und die SCs wurden zu Kindesmördern für ihn, weil sie seine falsche Visionen glaubten.

        Soweit meine sehr generische Idee. Im Realfall wüsste ich natürlich etwas mehr über die Spielrunde und Spielwelt und würde dann konkreter.

        Ich verwende übrigens nicht nur das Waite-Tarot, auch wenn es meine generische Option darstellt. Weiterhin kann ich empfehlen: Das Crowley-Tarot für Cthulhu und so, das Tarot der Drachen für Fantasy und das Vice-Versa-Tarot als Ergänzung für das Waite-Tarot.

    • Die Rochade ist echt super.

      Ich halte die Improvisation von Regeln in der Praxis für das Normalste auf der Welt, aber unter rollenspieltheoretischen Laborbedingungen handelt es sich dabei in meinen Augen um einen Makel.

      Insofern halte ich die Frage danach, wie man Rollenspielregeln denn idealerweise improvisiert, wenn man denn zu dieser Maßnahme greifen muss, schon für relevant. Auch wenn mir mein Cast in der Folge widersprochen hat, wäre meine Vermutung gewesen, dass z.B. improvisierte Regeln wenigstens für alle Ewigkeit gelten müssen. Das ist natürlich kaum praktikabel, aber die Alternative besteht in einer völligen Beliebigkeit beim Regeleinsatz.

      Auch hier bin ich persönlich und in der Praxis zwar äußerst unverkrampft und liberal, aber wenn man mich mit der Taschenlampe unter der Bettdecke fragen würde, würde ich ich zugeben, dass das wohl nicht in Ordnung ist.

  2. Ich nutze dokuwiki. Nicht nur um Fortschritte in längeren Kampagnen zu dokumentieren, Reiseberichte, links zu NSC’s, Orten usw. – sondern auch die Welt(en) und deren Zusammenhänge besser zu begreifen (Beziehungen von Personen, Wirtschaftliche Besonderheiten, Sagen und Legenden….)

    Es bereichert die Gruppe 🙂

  3. Pingback: Aus dem Limbus: Rezensionen, Podcast, Interview und RSP-Blogs | Nandurion

  4. Schaut euch mal „apokalypse world“ oder eins seiner Abwandlungen an (es wird ja an dem deutschen „Dungeon World“ gearbeitet). Da unterstützen die Regeln beim Improvisieren und halten das Spiel spannend.

  5. In diesen Spielen wird viel improvisiert. Deswegen werden vor dem Spiel viele fragen gestellt, welche die Spielwelt definieren,
    Z.B. „Du bist ja ein Zwerg, was hat die zwerge aus ihren Mienen vertrieben?“
    Aber auch die Motivation festlegen,
    „Warum jagst du das dreiköpfige Schneemonster?“
    Und auch das Monster beschreiben
    „Was hast du über das Schneemonster gehört? Wie groß ist es? Was macht es so gefähnlich? “
    Also wie in eurem Podcast erwähnt die Spieler fragen.

    In den „powered by the Apokalypse“ spielen unterliegt auch der Spielleiter regeln. Er hat bestimmte Aktionen „Moves“ zur Verfügung und es ist auch definiert wann er sie einsetzen soll.
    Z.B. eine gefahr andeuten, oder Schaden verursachen.

    Wenn man sich an diese Regeln hält kommt (zumindest nach meiner Erfahrung) meist schnell eine spannende Situation zu Stande.

    Man spielt um herauszufinden was passiert, nicht um die vorbereitete Geschichte des Spielleiters zu erleben.

    (Beide Arten können Spaß machen)

  6. Ich war überrascht dass ihr das improvisieren innerhalb eines festen Kanons, wie die Welt Aventuriens als schwer empfunden habt. Nach dem alten Grundsatz: Restrictions breed Creativity, find eich das gerade auf Grund des engen Kanons viel coolere Plots möglich sind, gerade abseits der Klischees. Und das zeigt sich meist in improvisierten Situationen. Ist aber natürlich meine persönliche Erfahrung.

    Sonst wie immer eine sehr coole Folge. Macht weiter so!

    • Das ist ein sehr guter Gedanke, muss ich sagen. Ich würde den auch unterschreiben und folgendermaßen erweitern:

      Der dicht beschriebene Kanon bietet vor allem einen synchronen Vorstellungsraum, innerhalb dem sich leichter und wertiger improvisieren lässt als im luftleeren Raum zB. einer völlig neuen Welt.

      Ich denke aber, unser Unbehagen speist sich eher aus dem Kontinuitätsproblem: Improvisationen gehen eben immer zu Lasten des Kanons, der dadurch beschädigt wird. Das führt entweder zu Paralleluniversen oder dazu, dass man sich seine Improvisationen im Kontrast zum kanonsichen Material nicht alle merken kann. Beide Fälle sind etwas unsauber.

      In der Spielpraxis haben wir üblicherweise immer auf den Kanon gepfiffen.

      Im Übrigen ist euer Brettspielepodcast sehr hörenswert (wer ihn noch nicht kennt: http://www.bretterwisser.de)! 🙂
      Woher kommt dein Interesse an Rollenspielthemen?

      • Ist nicht automatisch jede Gruppe in ihrem Paralleluniversum, wenn man nicht nur vorgefertigte Abenteuer 1-zu-1 spielt? Ich würde mir daher weniger Sorgen machen und eher den Spielspaß und das Originelle über den Kanon setzen.

        Wirklich wichtig ist es ja meist dann nur, wenn man das auf Organized Play-Eben spielt, so wie früher Living Greyhawk oder Living City. Die waren echt cool.

        Mein Interesse war schon immer da und nie weg. Ich habe schon in den 80ern Rollenspiel gespielt. Einstieg 87 mit dem Schwarzen Auge, dann über Traveller, GURPS, D&D, AD&D, Toon, Midgard, MERS, Plüsch Power & Plunder, Shadowrun, Cyberpunk 2020, Deadlands, 7th Sea, etc…, so ziemlich alles ausprobiert und geschaut ob es mir gefällt. Derzeit habe ich eine feste Freitagsgruppe mit der wir neben D&D, Dungeonslayers, Midgard auch gerade viel Numenera spielen.

        Wir hatten den Moritz M auch mal in unserer Sendung und der hatte euch empfohlen, seitdem höre ich euch mit Begeisterung. Danke für die Empfehlung hier.

  7. Sehr schöne und wichtige Folge.

    Nachdem das noch niemand getan hat, komme ich mal auf den Dieb, das glitzernde Objekt und die Frau im Zimmer zurück.
    Was mir zuerst in den Sinn kam war, dass das die Frau schläft, der Dieb einfach ins Zimmer greift, den Gegenstand nimmt, und wieder verschwindet. Klingt vielleicht langweilig, aber der Dieb ist ja auch nicht blöd. Außerdem stand er vorher vor dem Fenster (konnte also vermutlich in den Raum hinein sehen) und wird es wohl kaum geöffnet haben, wenn er eine potentiell gefährliche Person im Zimmer erkennt.
    Die Variante, die ich deutlich cooler fände, als meine erste Assiziation, ist die Folgende: Die Frau schläft, der Dieb greift wieder in den Raum hinein und nimmt den Gegenstand. Daraufhin zieht er aber einen anderen Gegenstand in einem kleinen Beutel aus seiner Tasche und legt diesen auf den Tisch. Dann verschwindet er.
    Ansonsten denke ich auch, dass noch wesentlich „coolere“ oder kompliziertere Plots schwierig umzusetzen sind. Daher ganz klar: Pro Faulheit im Rollenspiel.

    Zur Improvisation auf Spielerseite: Sich plötzlich einen Kletterhaken aus der Tasche zu ziehen oder ein Langschwert dabei zu haben kann der spielentscheidende Unterschied sein. Dadurch, dass sich ein Spieler in einer kritischen Situation einen essentiell wichtigen Gegenstand oder eine Fähigkeit aus dem Hut zaubert, wird tatsächliche und gewollte Improvisation auf Spielerseite in meinen Augen eigentlich unterbunden. Man merkt das ja dann auch oft am entgleisten Gesicht des Spielleiters, der sich schon darauf gefreut hat, dass die Spieler jetzt erst mal eine halbe Stunde diskutieren, wie sie weiter vorgehen und ihr Problem lösen…
    Ich will trotzdem nicht sagen, dass man dem Spieler dann nicht doch den Kletterhaken bewilligen soll. Das kann man schon machen, aber die Spieler sollten dafür vielleicht eine „Strafe“ oder einen Nachteil bekommen. Hier sähe ich z.B. einen passenden Anwendungsbereich von Plot-Twist-Karten. „Okay, Martin, du behauptest, dass du vor vier Jahren einen Kletterhaken gekauft hast und du den seither ständig mit dir führst. Dann sollst du deinen Kletterhaken eben haben, aber dafür drehe ich die nächste Plot-Twist-Karte um.“
    Ich weiß nicht, ob das tatsächlich immer so gut klappt. Aber zumindest schränkt es das Powergaming durch plötzlich „wiedergefundene“ Eigenschaften und Gegenstände ein.

    In weniger kritischen Situationen sehe ich das so wie ihr: wenn der gesunde Menschenverstand sagt, dass ein Charakter irgendetwas dabei haben / können könnte oder sollte, dann soll das eben so sein. Man kann dann ja immer noch einen Glückswurf (oder Fähigkeitscheck) machen, ob der Charakter damit wirklich weiter kommt.

    • Super Idee, das mit der Plot-Twist-Karte. Das löst viele Probleme.

      Eine moderne Variante wäre vermutlich einfach der Einsatz eines Bennies oder Schicksalspunktes oder dergleichen, das hat den gleichen Effekt und ist ein bisschen besser kalkulierbar.

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